OB Grote nannte Minister Breitner seine Bedenken gegen die Finanzreform, die Norderstedt 1,5 Millionen im Jahr kostet
Norderstedt. Er geht dahin, wo ihm der Wind ins Gesicht bläst, zum Beispiel nach Norderstedt. Im Rathaus erklärte Schleswig-Holsteins Innenminister Andreas Breitner (SPD) Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote und den Fraktionschefs, warum die Stadt bei der Reform des kommunalen Finanzausgleichs am stärksten bluten muss. Nach den bisherigen Plänen wird Norderstedt 1,56 Millionen Euro pro Jahr mehr zahlen, um nach dem Solidaritätsprinzip die „armen“ Städte und Gemeinden im Norden zu unterstützen. Damit würde die Stadt landesweit die größte Last tragen. Landesweit gibt es 1150 Städte und Gemeinden, nur elf davon zählen zu den Geldgebern. Neben Norderstedt sind das Rellingen, Wedel, Tornesch und Quickborn im Kreis Pinneberg, Ahrensburg, Bad Oldesloe, Bargteheide und Reinbek im Kreis Stormarn, Brunsbüttel und Sylt. Zusammen sollen sie zusätzlich sechs Millionen Euro in den Finanzausgleich einzahlen.
Allen gemeinsam ist: Sie zählen zu den steuer- und wirtschaftsstärksten Orten in Schleswig-Holstein. Und da hatte Breitners Begleiter Matthias Novotny, im Innenministerium zuständig für die Reform des Lastenausgleichs, auch gleich Zahlen zur Hand: Die Steuereinnahmen in Norderstedt liegen bei 1230 Euro pro Einwohner und damit deutlich über dem Landesschnitt von 750 Euro pro Einwohner. Im Fachjargon der Finanzausgleicher bekommen die elf Steuer-Kraftprotze das Attribut abundant, soll sagen: „Die haben was übrig“, sagte Novotny. Zwar hätten Verwaltung und Politiker in Norderstedt sicher ihren Anteil daran, indem sie vernünftig mit den Einnahmen umgehen, aber: „Entscheidend ist die Nähe zu Hamburg. Das Umland ist ein beliebter Standort für ansiedlungswillige Unternehmen. Da hat es beispielsweise der Kreis Dithmarschen mit Ausnahme von Brunsbüttel schon deutlich schwerer. Es gibt weniger Arbeitsplätze als im Hamburger Umland, die Arbeitslosigkeit ist vergleichsweise hoch“, sagte der Minister.
Norderstedt könnte von einer Geber- zu einer Nehmerkommune werden
Eine Auffassung, die Grote teilt: „Natürlich profitieren wir von der günstigen Lage.“ Dennoch könnten er und die örtliche Politik die Belastung, die auf Norderstedt zukommen soll, so nicht akzeptieren. Wenn die Stadt wie geplant ab 2015 auf einen Schlag zusätzlich 1,5 Millionen Euro mehr in den Finanzausgleich zahlen soll, könne der städtische Haushalt nicht mehr ausgeglichen werden. „Wir würden von einer Geber- zu einer Nehmerkommune“, sagte der Verwaltungschef. Die Stadt könne den kräftigen Zuschlag nicht verhindern, indem sie die Steuern senkt, weniger Abgaben von den Unternehmen und Grundbesitzern verlangt. „Die Messzahlen sind hebesatzbereinigt und spiegeln die Wirtschaftskraft unserer Unternehmen wider“, sagte der Oberbürgermeister.
Der Gutachter, der Zahlen und Daten als Grundlage für die Finanzreform ermittelt hatte, habe Norderstedt wie dem gesamten Kreis Segeberg zudem einen relativ geringen Anteil an Hartz-IV-Empfängern bescheinigt. Die Sozialausgaben sind neben der Steuerkraft die zweite Richtgröße, um zu bestimmen, wie viel Geld die Städte und Gemeinden in den Ausgleichstopf zahlen beziehungsweise aus ihm bekommen.
Grote hat dem Innenminister gemeinsam mit den Spitzen der Fraktionen ein Programm präsentiert, mit dem die Wucht der zusätzlichen Belastung gemildert werden soll. „Es wird schwer sein, den Menschen in unsere Stadt die Mehrausgaben zu vermitteln, denn Norderstedt wächst, und wir müssen hier im Ort kräftig investieren“, sagte Grote. Es gelte, Kita-Plätze zu schaffen, die Ganztagsangebote an den Schulen auszubauen, damit Berufstätige Familie und Beruf unter einen Hut bringen können – das sei ein ganz wichtiger Standortfaktor. Zugleich beugten Investitionen in die Infrastruktur späteren Soziallasten vor.
Der Verwaltungschef forderte den Minister auf, die Ausgaben für die überörtlichen Auf- und Ausgaben Norderstedts zu überprüfen. „Wir gehen davon aus, dass wir mehr Angebote für mehr Umlandbewohner vorhalten, als das die Landesplanung vorsieht“, sagte Grote. Zudem plädierte er dafür, dass Norderstedt nicht auf einen Schlag 1,56 Millionen Euro mehr zahlt, sondern sich schrittweise an die Summe heranarbeitet. „Für eine Übergangsregelung habe ich durchaus Sympathie“, sagte Breitner, der den Austausch mit den Norderstedtern als harmonisch bezeichnete. Es gehe ihm darum, in dem auf ein Jahr angelegten Dialog mit den Betroffenen konstruktive Vorschläge zu hören. „Kriegserklärungen oder Aufrufe zum Widerstand bringen uns nicht weiter“, sagte der Minister.