Mehr als 150 Vorschläge wurden für den Bürgerhaushalt der Stadt Norderstedt für die Jahre 2014/2015 abgegeben. Der Norderstedter Bürgerhaushalt wurde am 15. Mai im Internet gestartet.

Norderstedt. Stellen Sie sich vor, Sie bekommen morgen 74.903.000 Euro zur freien Verfügung überwiesen. Bevor sie jetzt gleich an Champagner und die Karibik denen, sollten Sie allerdings die Bedingung kennen: Mit dem Geld müssen sie dafür sorgen, dass die Stadt Norderstedt ein Jahr lang am Laufen bleibt, mit allem Drum und Dran. Ob da am Ende für Champagner und Karibik noch was über bleibt? Fraglich.

Die etwa 75 Millionen Euro sind der Betrag, mit dem die Stadt Norderstedt 2013 ihre Aufgaben bewältigt. Das Geld ist bis auf den letzten Cent schon verplant. Doch für die Jahre 2014 und 2015 soll jetzt der neue Doppelhaushalt erarbeitet werden. Und die Bürger haben zum zweiten Mal nach 2012/2013 die Chance, bei der Einnahmen- und Ausgabengestaltung mitzureden.

Der Norderstedter Bürgerhaushalt wurde am 15. Mai im Internet gestartet (wir berichteten). Wer Vorschläge hat, wie die Stadt ihr Geld ausgeben soll oder wo sie Geld sparen kann, der meldet sich auf der Seite mit Pseudonym an und schreibt los. Alle anderen Bürger können den Vorschlag dann bewerten. Die 50 am besten bewerteten Vorschläge sollen in die tatsächliche Haushaltsplanung einfließen. Bis zum Sonntag, 9. Juni, können Vorschläge noch eingereicht werden. Danach wird nur noch bewertet.

Volker Vorwerk, Geschäftsführer von Bürgerwissen.de, der den Bürgerhaushalt moderiert und pflegt: "Wir haben schon 202 Norderstedter, die sich mit ihren Vorschlägen beteiligen, davon 67, die beim letzten Mal nicht dabei waren." Beim ersten Bürgerhaushalt 2010 hatten insgesamt angeblich 600 Bürger ihre Vorschläge abgegeben.

Aktuell sind auf der Seite www.buergerhaushalt-norderstedt.de 153 Vorschläge zum Doppelhaushalt verzeichnet. Die Masse davon beschäftigt sich eher mit dem Ausgeben und nicht mit dem Einsparen von Steuern. Offenbar begreifen viele den Bürgerhaushalt eher als ein Wunschkonzert an die Stadtverwaltung.

"Etwas zu fordern ist ja auch einfach. Um gute Vorschläge zu Einsparungen machen zu können, muss der Bürger sich zunächst einen dezidierten Kenntnisstand über die Lage der Stadtfinanzen machen", sagt Vorwerk. Die Zahlen und Fakten dazu bietet die Stadt für alle Fachbereiche auf der Homepage zwar an, doch ihre schiere Menge und Dichte überfordert den Laien. Der Bürger mit dem Pseudonym "beuys64" kritisiert die mangelnde Bereitschaft seiner Mitbürger, für die aufgestellten Forderungen auch gleich passende Kompensationsideen vorzulegen. Er schreibt: "Auch wenn ich ein Sturm der Entrüstung entfache: Es wäre für die Finanzierung hilfreich, wenn Norderstedter Bürger freiwillig nach eigenen Kräften mehr Steuern (gegen Zweckbindung) zahlen, oder sich zu Interessengruppen zusammenschließen (Grünpaten Verkehrsinseln)." Es lasse sich eben nicht alles aus den vorhandenen Haushaltsmitteln bestreiten. "beuys64" weiter: "Entweder denken viele meiner lieben Mitbürger nur an sich selbst, oder die Stadt hat eine so gute Lebensqualität und zufriedenstellende Finanzpolitik, dass die meisten Vorschläge relativ unspektakulär sind."

Mehr Tempo-Kontrollen, mehr Kreisel, mehr Straßensanierung

Recht spektakulär ist die Forderung von "Leser 2000": "Mülltrennung abschaffen und dafür nur eine größere Restmülltonne aufstellen." Derart pauschale und wenig sinnvolle Vorschläge kommentiert die Stadt sofort. Sie verweist in diesem Fall auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz und die "etablierten Getrenntsammelsysteme". Volker Vorwerk: "Im Vergleich zu anderen Städten, die den Bürgerhaushalt machen, reagiert die Stadt Norderstedt recht prompt und ausführlich auf die Eingaben. Das klappt jetzt auch besser als beim ersten Mal."

Weitere Kostproben der Leservorschläge: Die Forderung nach regelmäßigen Geschwindigkeitskontrollen, Tempo 30 auf der Rathausallee, die Erhöhung der Hundesteuer, die Erneuerung des Rathausplatzes und der Ausbau der S-Bahn zum Flughafen Fuhlsbüttel bis nach Norderstedt-Mitte.

Interessant der Vorschlag von "Seppel": Freiwillige Feuerwehrleute sollten 5 Euro Aufwandsentschädigung je Einsatz- oder Übungsstunde bekommen oder Benzingeld. Denn es summiere sich enorm, was die Retter im Jahr an Kilometern von und zur Feuerwache fahren würden. "Alles billiger, als die Hauptamtlichkeit noch aufzustocken!"

Das defizitäre Arriba-Bad wünschen sich Bürger in privater Hand

"TopManNorth" möchte den städtischen Haushalt durch den Verkauf und die Privatisierung des defizitären Spaßbad-Betrieb Arriba entlasten. "Die Stadtwerke würden ohne das defizitäre Bad einen höheren positiven Ergebnisbeitrag zum Norderstedter Haushalt beitragen", schreibt der Bürger.

Zynisch wirkt die Forderung von "guenzelsen", Spielplätze in der Stadt zurückzubauen. Das erspare Wartung, Pflege und "Polizeieinsätze aufgrund Ruhestörung durch betrunkene, randalierende Jugendliche". Der Bürger begründet seinen schlechten Scherz mit der Feststellung, dass immer mehr Kinder die Ganztagsbetreuung in Kitas und Schulen nutzen würden und sie deshalb keine Spielplätze mehr bräuchten.

Und dann gibt es auch noch die schönen, kleinen Geschichten, die sofort Wirkung zeigten. Bürger "HaJo" bot der Stadt einen kleinen Mammutbaum aus seinem Garten an, wo er "nicht mehr gut aufgehoben ist". Der Kleine, der in Jahrzehnten mal richtig riesengroß werden kann, wird seine Heimat jetzt wohl im Stadtpark bekommen.

www.buergerhaushalt-norderstedt.de