Die Gruppe der Evangelischen Jugend Norderstedt-Süd will sich mit ihrem Forschungsprojekt um den Bertini-Preis bewerben.

Norderstedt. Merle, Kristina, Bianca, Ann-Kathrin und Anna sind genauso alt wie das Mädchen, dessen Leben sie seit einem Jahr erforschen. Die 15- und 16-jährigen Schülerinnen sind auf Spurensuche von Anne Frank. Als das jüdische Mädchen so alt war wie die fünf Norderstedterinnen, war ihr Leben schon ausgelöscht - in den Konzentrationslagern der Nationalsozialisten. Ihre Erlebnisse und Nachforschungen schreibt die Anne-Frank-Gruppe der Evangelischen Jugend Norderstedt-Süd genauso wie Anne Frank in einem Tagebuch auf. Jetzt wollen sie sich um den Bertini-Preis 2007 bewerben, der von der Hamburger Kulturbehörde, dem Hamburger Abendblatt und dem Holocaust-Überlebenden und Autor Ralf Giordano ausgelobt wird.

Die Gruppe fuhr mit Diakon Rainer Langshausen nach Berlin, Amsterdam und in die KZs Bergen-Belsen, wo Anne Frank Mitte März 1945 an Typhus starb, Neuengamme und Auschwitz, dem KZ, von dem aus Anne Frank in den letzten Kriegstagen nach Bergen-Belsen deportiert wurde. Am Holocaust-Gedenktag, dem 27. Januar, wird den Opfern der Nazis gedacht.

In Auschwitz, dort, wo Anne Frank die Hölle kennenlernte, blieb die Gruppe im Herbst 2006 eine ganze Woche. Noch heute können die Mädchen nur stockend von ihren Eindrücken im Todeslager erzählen. "Man muss darüber reden, aber man kann sich das Leid nicht wirklich vorstellen", sagt Merle. "Anne Frank war immer fröhlich, trotz des Kabuffs, in dem die Familie sich mit anderen Verfolgten in Amsterdam verstecken musste. Erst Auschwitz hat sie gebrochen, und Bergen-Belsen war ihr Tod", sagt Kristina mit Tränen in den Augen.

Die Mädchen sind Schülerinnen des Coppernicus-Gymnasiums und werden mittlerweile gebeten, von ihrem Anne-Frank-Projekt im Religions- und Geschichtsunterricht der anderen Klassen zu erzählen. Mehr noch: Sie gehören zum Projekt "Schüler erzählen Schülern" der KZ-Gedenkstätte Neuengamme, in dem Schüler unter Anleitung von wissenschaftlichen Mitarbeitern der Gedenkstätte anderen Schülern von ihren Forschungsprojekten, die sich mit dem Holocaust beschäftigen, berichten.

Die erste Station auf den Spuren von Anne Frank waren die Holocaust-Gedenkstätte, die Gedenk- und Bildungsstätte "Haus der Wannsee-Konferenz" und das Jüdische Museum in Berlin. Vor 65 Jahren, am 20. Januar 1942, tagte die Wannsee-Konferenz, auf der Reinhard Heydrich, Chef des Reichssicherheitshauptamts, sich von 14 Ministerialvertretern die Zustimmung zum Mord an 14 Millionen Juden holte.

In Auschwitz sahen sie auch israelische Jugendgruppen. "Wir möchten mit israelischen Jugendlichen über den Holocaust sprechen, und deshalb wollen wir nach Israel fahren", sagt Merle entschlossen.

  • Holocaust-Gedenktag Norderstedt: Heute, 14 Uhr, KZ-Gedenkstätte Wittmoor, Fuchsmoorweg.

Kaltenkirchen: Heute, 16 Uhr, Rathaus, Holstenstraße, Vortrag "Gedenkstätten als Lernort".

Literaturhinweis: Melissa Müller: "Das Mädchen Anne Frank - die Biographie", Claasen-Verlag, München, 450 Seiten mit Zeittafeln, Bibliographien, Quellen- und Personen-Nachweisen.