Der 45-jährige Kaltenkirchener Unternehmer Thomas Pütz ist seit eineinhalb Jahren Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer.
Norderstedt. Als Thomas Pütz das Flugzeug nach Düsseldorf bestieg, tat er dies im Wissen darum, dass alles in Ordnung sei. Die Entfernung eines Nierensteines bei Wladimir Klitschko - nur wenige Tage vor dem Weltmeisterschaftskampf im Schwergewichtboxen - war erfolgreich verlaufen, der Champion fest entschlossen, am darauffolgenden Freitag in den Ring steigen zu können, um gegen den französischen Herausforderer Jean-Marc Mormeck zu kämpfen. Gemeinsam mit der Sportikone hatten Millionen Fans, die übertragenden Fernsehsender, die vier betroffenen Verbände und die Sponsoren aufgeatmet.
Alles konnte wieder seinen Gang gehen. Eigentlich. Denn über Nacht hatte der 1,98-Meter-Hüne große Schmerzen bekommen; die Ärzte im Universitätsklinikum diagnostizierten eine Nierenkolik inklusive hohem Fieber, die sich infolge des Eingriffs entwickelt hatte. Die Vorfreude auf den Showdown im Düsseldorfer Fußball-Stadion wich der bitteren Erkenntnis, dass der Fight abgesagt werden müsse. Mit dieser Realität sah sich Thomas Pütz telefonisch konfrontiert, als er morgens das Terminal im Flughafen Düsseldorf verließ. Der Kaltenkirchener kennt die Klitschko-Brüder seit den 90er-Jahren, ist mit beiden eng befreundet und betreut sie mit seiner Sicherheitsfirma bei öffentlichen Auftritten. "Ich kann mich gut in Wladimirs Lage hineinversetzen", sagt er. "Er hat ein zehnwöchiges Trainingscamp absolviert, war fokussiert und auf der Zielgeraden. So wie ich ihn kenne, wird er richtig frustriert sein."
Pütz blieb indes nichts anderes übrig, als dem unerwarteten Rückschlag professionell zu begegnen. Schließlich musste eine Maschinerie in Gang gesetzt werden, die er maßgeblich mitsteuert. Seit April 2010 amtiert der 45-Jährige als Präsident des Bundes Deutscher Berufsboxer (BDB). Ohne diesen Verband dürfte weder ein Klitschko, noch etwa Mittelgewichtsweltmeister Felix Sturm hierzulande kämpfen. "Der BDB sanktioniert sämtliche Veranstaltungen. Wir kümmern uns darum, dass Sportler ihre ärztlichen Untersuchungen haben, kümmern uns um die Dopingkontrollen - im Prinzip alles an Rahmenbedingungen. Wir schaffen die Grundvoraussetzungen, dass ein Kampf überhaupt stattfinden kann", erklärt Thomas Pütz.
Darüber hinaus sind die Sportler beim BDB lizenziert. Zudem ist dieser für Sperren zuständig. "Oder wir merken, dass ein Boxer keine Substanz mehr hat, dann erteilen wir auch keine Lizenz mehr", so Pütz.
Er kennt sich mit kurzfristigen Absagen von Kämpfen aus. "Als das Duell zwischen Wladimir und David Haye abgesagt wurde, musste ich gegenüber dem englischen Verband die Verletzung offiziell bestätigen. Aber im jetzigen Fall war der Gegner Jean-Marc Mormeck bereits zugegen. Ein Professor der Uniklinik hat dann alles erläutert."
Danach klingelte das Telefon von Thomas Pütz permanent. "Die Klitschkos sind das Nonplusultra, sie sind die Formel 1 und die Champions League. Da kann man nicht einfach sagen: 'Einer der beiden hat sich verletzt, da nehmen wir eben einen anderen Boxer'."
Der Sicherheitsexperte liebt die familiäre Atmosphäre in der Boxszene
Es sind die Highlights eines jeden Jahres. Fußballstadien sind gefüllt mit Zehntausenden Fans, komplette Luxushotels gebucht für die Sportler, ihre Entourage und die jeweiligen Verbände und Funktionäre. "Wenn ein Rädchen ausfällt, bricht alles auseinander", sagt Pütz. "Sämtliche Flugtickets werden storniert, die Hotels, es ist eine riesige Lawine. Gott sei Dank haben die Klitschkos eine Ausfallversicherung. Beim Fußball wäre das anders, da spielt ein anderer, aber es steht nicht der gesamte Event in Frage."
Vor wenigen Jahren hätte Thomas Pütz nicht daran gedacht, das Geschäft auch von Verbandsseite betrachten zu müssen. Sein Sicherheitsunternehmen, eines der erfolgreichsten in Deutschland, nahm genug Zeit in Anspruch. Gleichwohl war Pütz regelmäßig auf den wichtigsten Box-Veranstaltungen zugegen, begleitete die Kämpfer meist sogar bis in den Ring. Die TV-Kameras fingen somit auch ihn ein. "Darüber habe ich mir aber nie Gedanken gemacht. Vielleicht kennen mich die Leute, die sich für Boxen begeistern, mehr aber nicht", sagt er. "Mir macht die Sache Spaß, das ganze Drumherum ist eine Familie, die man immer irgendwo wieder trifft."
Seine Kenntnis der Szene führte 2010 dazu, dass er aus Kreisen des BDB angesprochen wurde, ob er sich den ehrenamtlichen Posten des Präsidenten vorstellen könne. "Eine reine Zufallsgeschichte, das war nicht mein Wunsch." Die erste Wahl wurde sogar angefochten und aus formalen Gründen wiederholt, ehe Thomas Pütz offiziell das Amt übernahm. "Ganz ehrlich, ich hätte mir nicht vorgestellt, dass es so zeitintensiv ist."
Als er die Unterlagen des BDB studierte, fand er einen Verband in dramatischer finanzieller Schieflage vor. Der Box-Boom war vorüber, deutsche Galionsfiguren wie Henry Maske, Sven Ottke oder Dariusz Michalszewski nicht mehr aktiv, der Fernsehvertrag mit dem ZDF passé, aber der Verwaltungsapparat geblieben. "Der BDB wurde absolut nicht kaufmännisch geführt. Wenn ich das nicht massiv verändert hätte, würde der Bund heute nicht mehr existieren", so Thomas Pütz. "Es gab Zeiten, da war Boxen inflationär, es gab jedes Wochenende im Fernsehen Veranstaltungen. Doch das allein bürgt nicht für Qualität."
Für den 45-Jährigen ist Boxen die ehrlichste Sportarten von allen
Heute ist der BDB wieder gesund, und Thomas Pütz kann sich auf seine repräsentativen Aufgaben konzentrieren. Sein Büro hat er extra im Erdgeschoss des Hauptsitzes von Pütz Security in Kaltenkirchen eingerichtet - auch um Kosten zu sparen. Oft ist es der Fall, dass der Geschäftsführer im Rahmen internationaler Box-Veranstaltungen um die Welt reist, während sein Stab den Alltag vor Ort im Griff haben muss. "Ich kann mir das einteilen, weil ich sehr gute Mitarbeiter habe. Das ist positiver Stress, auch wenn ich die Zeit meiner Familie entziehe."
Momentan steht beispielsweise die "Convention" des Verbandes WBC in Las Vegas im Terminkalender. Im dortigen Mandalay Bay Hotel logiert Thomas Pütz, begleitet Vitali Klitschko, der den Weltmeistergürtel des WBC im Schwergewicht hält. Der BDB-Präsident bleibt jedoch immer Fan, egal wie offiziell der Anlass ist. "Ich war früher auch Amateurboxer, ehe ich mit 21 Jahren aufgehört habe, weil die Nachtgastronomie und das Securitywesen immer interessanter für mich wurden." Doch die Faszination ist heute immer noch dieselbe: "Boxen ist der ehrlichste Sport. Ich weiß es noch von meinem ersten Kampf - die Überwindung, die letzten paar Minuten bis zum Ring. Jeder, der das mal gemacht hat, weiß, wie ein Boxer empfindet. Das ist ein gewisser Kick, aber nicht für jeden etwas."
Thomas Pütz ist familiär geblieben, auch wenn ihm das Boxen viele Privilege ermöglicht hat. "Ich war in Japan. China ist auch gigantisch. Und es ist Wahnsinn, wenn man im Madison Square Garden in New York steht. Perth in Australien war dafür grenzwertig, da finden ja mehr Schlägereien neben dem Ring als im Ring statt."
Weiterhin wohnt er in Henstedt-Ulzburg; die Sicherheitsfirma bleibt sein berufliches Standbein. Ohne Boxen kann Thomas Pütz allerdings nicht. Sein Herz hängt auch an den Amateuren. Er ist zweiter Vorsitzender der Boxsparte der Kaltenkirchener Turnerschaft. Die Arbeit an der Basis reizt ihn genauso wie das Millionengeschäft. Und so ist er immer noch regelmäßig in der Halle am Marschweg. Ohne Klitschkos, ohne Glamour, aber mit der gleichen Liebe für den Boxsport.