Die Betreiber der Anlage in Henstedt-Ulzburg weisen Vorwürfe zurück. Biobauern erleiden keine Umsatzeinbußen

Kreis Segeberg. 517 EHEC-Fälle wurden in Schleswig-Holstein bisher registriert, 153 bestätigte Fälle mit dem lebensgefährlichen Hämolytisch-urämischen Syndrom (HUS) wurden dem Gesundheitsministerium gemeldet. Bekannt sind dem Ministerium bis jetzt fünf Todesfälle in Schleswig-Holstein. Im Kreis Segeberg hatte sich die Zahl der EHEC-Fälle bis Freitag auf 58 Fälle erhöht, bei sieben Patienten ist die Erkrankung lebensbedrohlich. Patienten aus dem Kreis Segeberg sind bisher nicht verstorben.

Inzwischen werden immer neue Thesen zur Entstehung des gefährlichen Darmkeims EHEC bekannt. Unter anderem kommen auch Biogasanlagen infrage. Denn hier entstehen Bakterien, die es zuvor nicht gab. Eine dieser Anlagen steht im Henstedt-Ulzburger Ortsteil Götzberg. Drei Landwirte betreiben die "AgrarEnergie Götzberg". Rund um die Uhr arbeitet die Anlage. Die Maissilage wird mit Wasser gemischt, in den Gärtank transportiert, auf 40 Grad warm gekocht und umgerührt. Myriaden von Methanbakterien verarbeiten den Brei zu Biogas, dem Brennstoff für das Blockheizkraftwerk nebenan.

Genau diese Methode ist jetzt zumindest in die Diskussion gekommen. Einen belegbaren Beweis für einen Zusammenhang zwischen Biogasanlagen und der EHEC-Epedemie gibt es nicht, aber, wie am Wochenende bekannt wurde, halten Labormediziner einen Zusammenhang zwischen dem Auftauchen des EHEC-Erregers und der immer größer werdenden Biogasanlagenproduktion nicht für ausgeschlossen.

Für den Wakendorfer Landwirt Johann Georg Mohr, einen der Betreiber der Götzberger Biogasanlage, ist diese Vermutung sehr weit hergeholt: "Ich bezweifle das ganz stark." In seiner Anlage werden pro Jahr 9000 Tonnen Mais verarbeitet. Dabei kommen 3000 Tonnen Gärsubstrat als Abfallprodukt heraus, die wiederum in den Wachstumskreislauf einfließen. Dieses Substrat wird auf Mais- und Getreidefelder aufgebracht und in den Boden eingearbeitet. "Das ist ein geschlossener Kreislauf, in den keine tierischen Abfälle gelangen", sagt Mohr. "Ich habe voll und ganz ein reines Gewissen."

Aber dieser geschlossene Kreislauf ist es, der Wissenschaftler zum Nachdenken bringt: Gekreuzte und verschmolzene Bakterien, die beim Gärungsprozess entstehen, gelangen wieder in den biologischen Kreislauf. Labormediziner fordern deshalb eine schnelle Untersuchung der Biogasanlagen auf Krankheitserreger. Die Götzberger Biogasanlage ist im Juli 2007 ans Netz gegangen. Energieversorger E.on nimmt den Strom zu einem Festpreis von durchschnittlich knapp 17 Cent pro Kubikmeter für einen Zeitraum von 20 Jahren ab. Die Erweiterung der Anlage wurde vor einem halben Jahr von der Gemeindevertretung Henstedt-Ulzburg abgelehnt.

Während Gemüsehändler auf den Wochemärkten und Gemüsegroßhändler über starke Umsatzrückgänge klagen, gibt es die Hofläden, die nach wie vor gute Umsätze machen. Im Hofladen des Kattendorfer Hofes herrschte am Sonnabendvormittag ein Andrang wie eh und je. Hannelore, 54, und Norbert Gottschalk, 55, aus Henstedt-Ulzburg kaufen hier schon seit vielen Jahren Gemüse und Fleisch - und sie werden es auch weiterhin tun. Sie haben Ernteanteile erworben, zahlen monatlich 150 Euro und bekommen dafür eine bestimmte Menge von Hofprodukten: Gemüse, Fleisch und Wurst, Milch, Käse, Getreide. "Wir haben ein gutes Gefühl und haben unser Essverhalten nicht geändert", sagen die Gottschalks. Sie wissen, dass hier keine Chemie verwendet wird und kein Dung von Rindern zum Einsatz kommt. "Wir können dadurch ein Stück heile Welt leben, obwohl es alleine durch die Anfahrt schon etwas umständlicher ist."

Der Hof gehört seit 1924 der Stiftung "Das Rauhe Haus", ist seit 1995 an eine Betriebsgemeinschaft verpachtet und auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise umgestellt worden. Auf einer Fläche von fünf Hektar wird Gemüse angebaut, weitere vier Hektar werden jeweils mit Kleegras für den Gemüseanbau vorbereitet. 50 Kulturen pro Jahr werden hier angepflanzt und geerntet. Bewässert wird mit Wasser aus einem Brunnen, die zum Teil über 100 Meter weit in den Boden gehen. Alles, was hier geerntet wird, ist für die Direktvermarktung bestimmt: 210 Ernteanteile sind verkauft, dazu gibt es zwei Hofläden und drei Wochenmarktstände. Alles, was die Kühe fressen, wird selbst angebaut, der Kuhmist reift drei bis sechs Monate in der Miete, wird dann ausgebracht und eingearbeitet. "Die Salate wachsen jetzt dort, wo vor einem Jahr der Blumenkohl geerntet wurde", sagt Betriebsleiter Mathias von Mirbach. "Für den Blumenkohl sind 50 bis 60 Tonnen Mistkompost je Hektar zwei bis vier Wochen vor dem Pflanzen in den Boden eingearbeitet worden, davon zerren jetzt noch die Salate." Der Betriebsleiter hat festgestellt, dass die Kunden seit Bekanntwerden der EHEC-Erkrankungen nachfragen, das Kaufverhalten aber nicht geändert haben. Vorsichtshalber hat er Infos zur Gemüsedüngung herausgegeben.

Eine zentralisierte Lebensmittelwirtschaft ist nach Ansicht von Mathias Mirbach anfällig, zumal Keime und Erreger über Großmärkte verteilt werden können. "Kleine Strukturen sind besser zu kontrollieren."