Der Kunstkreis Norderstedt feierte seinen 40. Geburtstag im kirchlichen Zentrum am Falkenberg mit vielen Mitgliedern und ohne Ausstellung
Es war eine Revoluzzerbande. Vor 40 Jahren wollte ein kunstinteressierter Kreis um Hildegard Waack der gerade neu gegründeten Stadt Norderstedt zeigen, was Kultur, was Kunst ist. Waacks Vater Heinrich Lönnies hatte gerade aus den Dörfern Glashütte, Garstedt, Harksheide und Friedrichsgabe eine neue Stadt, Norderstedt, geschmiedet.
Der Kreis gleichgesinnter Kulturfreunde diskutierte heftig über Kunst in allen Facetten und wollte vor allem eines: Alle Norderstedter sollten Kunst kennenlernen, egal, welcher Gehaltsklasse oder Lohntüte. Mehr noch: Auch Theater und Konzerte wollten die Kulturfreaks für alle Bürgerinnen und Bürger in die Stadt holen.
Die erste Mitglieder-Ausstellung gestalteten die Kunstkreis-Maler am 8. März 1970 im ehemaligen Glashütter Rathaus an der Segeberger Chaussee. Am Freitag feierte der Kunstkreis Norderstedt seinen 40. Geburtstag im kirchlichen Zentrum am Falkenberg, in dem sich die Amateur-, Hobby- und Profikünstler seit 35 Jahren zu Hause fühlen.
Der Kunstkreis kann mit bekannten Malerinnen und Malern aufwarten
"Der halbe Urbach ist in der Landesgartenschau, der andere ist hier", eröffnete Erika Bothe ihre Kunstkreis-Geburtstagsrede gut gelaunt, aber doch auch mit einigen Spitzen, wie sie bislang in kaum einer Botheschen Rede fehlten. Gunnar Urbach, Pastor der Falkenbergkirche, wollte, so Kunstkreis-Mitglied Martin Czarnecki, auch eine Ausstellung zum 40. Kunstkreis-Geburtstag gestalten. Doch die Wände des kirchlichen Zentrums blieben leer.
Dabei konnte und kann der Kunstkreis Norderstedt mit bekannten Malerinnen und Malern aufwarten: Heinz Höppner beispielsweise. Jürgen und Gisela Brandes, Erika Sieh und Tochter Beatrix Sieh, Hilke und Karsten Hein, Jürgen und Waltraut Watty, Ute Läsecke-Maas, Gerta Stüdemann, Elke Abraham, Wilhelm Götz-Knothe, Reinhardt und Anneli Lau, und auch Norderstedts Kulturpreisträgerin Ane Königsbaum war Mitglied im Kunstkreis.
"Es waren kunstinteressierte Leute aus der Sektion Harksheide der Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft", erinnerte Bothe an die Anfänge. Der erste Höhepunkt war eine Aufführung der Neuen Schaubühne Salzburg von Nikolai Gogols Komödie "Der Revisor" im Festsaal am Falkenberg inklusive Borschtschsuppe und Wodka, organisiert von Hildegard Waack. Lesungen, Vorträge und Konzerte wurden veranstaltet. Doch das Interesse der Mitglieder fokussierte sich immer mehr auf die Bildende Kunst. Wilhelm Götz-Knothe und Fritz Jürgen Stockmann holten Düsseldorfer und Berliner Künstler zu Ausstellungen ins kirchliche Zentrum.
"Damals war Norderstedt eine kulturelle Steppe, heute ist hier ja schon richtig was los", sagte Erika Bothe, die in ihrer ersten Zeit als Kunstkreis-Vorsitzende den Norderstedter Weihnachtsmarkt mit Kunsthandwerk im Herold-Center initiierte. "Damals war das Herold-Center-Management noch kulturfreundlich", sagte Bothe spitz. Der Erlös des Marktes spendete der Kunstkreis dem SOS-Kinderdorf in Norderstedt. Ab 1973 veranstaltete die "Literarische Werkstatt" um Wolfgang Beutin Lesungen im Herold-Center und holte auch die "Jazz-Lips" dazu. Eine Lesung mit Günter Grass war ein weiterer Höhepunkt im Herold-Center.
Der Kunstkreis hat alle Donnerwetter überstanden, wenn auch mit Verlusten
Wie in jedem anderen Verein auch, sorgten politische Turbulenzen für Differenzen im Kunstkreis, und das nicht nur in der Startphase, sondern auch bis in die letzten Jahre. Die waren zwar nicht mehr politischer, dafür aber umso mehr persönlicher Art und hatten nicht selten Austrittswellen zur Folge. Der Kunstkreis hat alle Donnerwetter überstanden, wenn auch mit dem Verlust von guten, professionellen Malerinnen und Malern. Beispielsweise bildete sich aus dem Kunstkreis die Norderstedter Künstlergruppe "Wendel".
Was seit 40 Jahren blieb, sind die Montagsrunden, einst gegründet von Heinz Höppner. Was ebenfalls trotz vieler guter Lösungen bleibt, ist die Frage nach Ausstellungs-, Atelier- und Treffpunkt-Räumen. Löste die Galerie im Rathaus vor drei Jahrzehnten noch das Ausstellungsproblem, so herrscht dort heute drangvolle Termin-Enge, und Norderstedts Künstler hoffen auf das "KulturWerk am See" am Stadtpark, das nach der Landesgartenschau eingeweiht werden soll. Auch das Stadtmuseum Norderstedt ist meistens ausgebucht, und im kirchlichen Zentrum am Falkenberg wurden Bilder in der Vergangenheit auch schon mal demoliert.
Die Atelierfrage löste die Stadt, indem sie zwei Theatervereinen, dem Kunstkreis und dem Kulturverein "Malimu" die ehemalige Volksschule Glashütte als Kunsthaus Norderstedt überließ. Die Zeit der Vernetzung begann. Beide Kunst- und Kulturvereine arbeiten heute zusammen, beispielsweise beim "Kunstsommer Norderstedt". Kurse für Kinder und Erwachsene entstanden. 80 themengebundene Mitglieder-Ausstellungen und zehn Vorsitzende in 40 wechselvollen Jahren kann der Kunstkreis vorweisen, darunter so markante Köpfe wie Mitgründerin Hildegard Waack, Heinz Höppner, Erika Bothe, Ute Läsecke-Maas, Gerta Stüdemann, Elke Abraham, Christa Dippe und jetzt Jolind Kaczmarz.
Im 40. Jahr seines Bestehens ist der Kunstkreis in ruhige Fahrwasser gekommen und braucht dringend wieder eines: Revoluzzer.