Eine Ausstellung im Stadtmuseum Norderstedt zeigt die Ursprünge von Norderstedts Gasthöfen mit 25 historischen Fotografien.

Norderstedt. Wenn der Hamburger Senat Anfang des vorigen Jahrhunderts nicht den Hafen ausgebaut und dafür in Moorfleet Richard Stubbes Hof aufgekauft hätte, gäbe es das Gasthaus Zur Glashütte nicht mehr. Gast- und Landwirt Stubbe musste sich nach einer neuen Wirtschaft umschauen, und reiste bis in die Tangstedter Heide, denn dort stand eine Gastwirtschaft zum Verkauf. Das war 1903.

Heute ist das Gasthaus Zur Glashütte ein florierendes Hotel mit Restaurant, Saal und Wirtsstube und wird in der vierten Generation von Egon und Marlis Stubbe geführt. Jetzt ist Stubbes Gasthaus auch in der Ausstellung "Vom Ausspann zum Restaurant - Gasthöfe in Norderstedt" im Stadtmuseum Norderstedt zu sehen.

+++ Olga Schuck liest im Stadtmuseum +++

Das Gasthaus Zur Glashütte hatte einen Utspann, einen Ausspann, eine Remise, in der Pferde ausgespannt oder gewechselt wurden, während die Reisenden in der Wirtsstube rasteten oder im Gasthof übernachteten. Richard Stubbe kaufte den Hof an der Segeberger Chaussee von Hans Friedrich Dabelstein, der erst nur einen Krug, eine Schankwirtschaft bewirtschaftete und nur Kööm un Beer ausschenkte. Seit 1867 war er auch Bauer in dem kleinen Dorf Glashütte, das damals noch Tangstedter Heide hieß und zum Tangstedter Gut gehörte. Bereits 1740 erhielt der Glasmachermeister Wenzel in der Tangstedter Heide vom Gutsherrn eine Schank- und Brau-Erlaubnis.

Das Speise-Angebot beschränkte sich auf eine Dose Sardinen mit Brot

Richard Stubbe hatte mit dem Kauf des Dorfkrugs einen Glücksgriff gelandet. Der Verkehr auf der noch unbefestigten Landstraße zwischen Hamburg und Lübeck wurde immer dichter, immer mehr Fuhrwerke mussten die Pferde wechseln, immer mehr Reisende verlangten nach Brot und Bier.

"Restaurantessen mit großen Speisekarten wie heute waren damals unüblich", sagt Dr. Manfred von Essen, Leiter des Norderstedter Stadtmuseums und Stadtarchivar. Das Angebot beschränkte sich meistens auf eine Dose Sardinen mit Brot und Würstchen mit Kartoffelsalat.

Auftrieb bekamen die Wirte, als Bürger Ende des 19. Jahrhunderts immer mehr Vereine gründeten - und sich in den Gaststuben und Sälen zum Tagen und Feiern trafen. Auch große Familienfeste wie Hochzeiten wurden in den Saal verlegt. Fürs leibliche Wohl sorgten die Frauen aus dem Dorf, die am besten kochen und backen konnten. Die Dorfkrüge waren auch Nachrichtenbörsen. Männer nahmen am Stammtisch die neusten Nachrichten durch, während die Frauen brav zu Hause für eine florierende Wirtschaft sorgten. Kam eine Frau allein in einen Krug, wurde sie gar nicht erst bedient, weil sie für eine Hure gehalten wurde.

In Stubbes Gasthof war von 1880 bis 1964 auch die Post zu Hause - mit Glashüttes erstem Telefon - und bis 1932 die Sparkasse. Auch Gerichtsverhandlungen wurden dort abgewickelt, plattdeutsches Theater gespielt, und seit 1927 turnte der Glashütter Sportverein auf dem Saal. Ein praktischer Dorfplatz also, bekam man doch neben Briefen, Geld und Recht auch Brause und Bier.

Stubbes Gasthaus ist das Paradebeispiel eines Familienbetriebes. Nach Richard folgte Sohn Adolf, dann dessen Sohn Otto, jetzt Egon und Marlis. Deren Tochter Steffi managt das Hotel, Sohn Daniel ist als Koch in den elterlichen Krug eingestiegen.

Im Gasthaus Parkhof eröffnete 1938 das erste Kino der Region

Die Gasthöfe waren auch nachbarschaftlicher Treffpunkt und übernahmen öffentliche Aufgaben. Der Ochsenkrug, später Altonaer Hof, an der Ecke Ohechaussee/Ulzburger Straße war bis 1840 Zollstation für den Ochsenhandel. Danach kassierte das schräg gegenüber an der Langenhorner Chaussee/Ecke Segeberger Chaussee gelegene Gasthaus Parkhof bis 1868 den Zoll an der Grenze von Hamburg zu Holstein.

Ohnehin mangelte es an der Grenze zu Hamburg nicht an Wirtshäusern, denn gegenüber dem Parkhof lag noch die Gastwirtschaft Ochsenzoll der Dieckmann-Familie und gegenüber dem Altonaer Hof das Café Zur Post neben dem 1930 erbauten Postgebäude.

Im Parkhof eröffnete 1938 das erste Kino der Region, die Parkhof-Lichtspiele. 1970 wurde es geschlossen und zwei Jahre später abgerissen. Der Fernseher hatte das Kino abgelöst. Zwar zogen die ersten Geräte noch viele Gäste in die Wirtsstube, beispielsweise 1953 zur elfstündigen Übertragung der Krönung von Elizabeth II. oder ein Jahr später zur Fußballweltmeisterschaft in Bern. Doch als sich in Deutschlands Wirtschaftswunderzeiten (fast) jeder ein Fernsehgerät leisten konnte, blieben die Gaststuben leer.

Alfred Stern gründete die Garstedter Volksbühne im Garstedter Hof

An der Ulzburger Straße war der Lindenhof, eine ehemalige Bauervogtstelle aus dem 16. Jahrhundert, ein beliebter Treffpunkt. Der Utspann, die Durchfahrt für Pferdefuhrwerke, stand noch bis in die 60er-Jahre dicht an der Straße. Um 1900 hieß die Wirtschaft Wilhelmshöhe. Im Jahr 1928 kaufte der HSV das Anwesen und baute neben dem Gasthaus die Sportplätze.

Garstedts Mittelpunkt war der Garstedter Hof, der heute noch an der Ecke Niendorfer Straße/Ohlenhoff steht. Saal mit Bühne sind noch vorhanden. Hier gründete Alfred Stern 1947 die Volksbühne Garstedt, aus der sich Norderstedts plattdeutsche Bühnen bildeten, das Norderstedter Amateur-Theater und Tanks Theater.

Die Ausstellung "Vom Ausspann zum Restaurant" mit 25 historischen Fotografien von Gasthöfen wird von Einrichtungsgegenständen begleitet, darunter ein Tresen, Gläser- und Flaschensammlungen, Waschschüsseln und ein Stammtisch, über dem ein Mobile mit Parolen wie "Hol blots dat Muul vun den Politik" hängt. Das Stadtmuseum sucht weitere Fotografien von alten Gasthäusern und Gegenstände aus dem Wirtshaus- und Hotelbetrieb. Kontakt: Stadtmuseum Norderstedt, Friedrichsgaber Weg 290, Telefon 040/30 98 27 49. Die Ausstellung ist bis zum 26. August, mittwochs bis sonnabends von 15 bis 18 Uhr, sonntags 11 bis 18 Uhr, zu sehen. Eintritt vier Euro, Kinder zwei Euro, Kinder unter zwölf Jahren haben freien Eintritt.