Bundesregierung will die Vergütung für Strom aus Sonnenenergie ab dem 9. März kürzen. In der Region wurden bereits Aufträge storniert.
Norderstedt. Das Bundeskabinett will die Fördermittel für Solarstrom kürzen - ein Vorhaben, das bis in den Kreis Segeberg durchschlägt. "Bei uns steht das Telefon nicht mehr still, alle wollen ihre Anlagen noch vor dem 9. März in Betrieb nehmen, was natürlich unmöglich ist", sagt Thomas Leidreiter vom Solarzentrum Norderstedt. Zum 9. März wird die Vergütung für kleine Anlagen, wie sie meist auf Privathäusern installiert werden, von 24,43 auf 19,5 Cent pro Kilowattstunde gekürzt. Der Bundestag muss diesen Plänen der Regierung zwar noch zustimmen, doch erste Aufträge wurden schon storniert.
Eine Erfahrung, die auch Lothar Braune von der Solar Initiative Norderstedt (SIN) gemacht hat. "Eine Installation schaffen wir noch, zwei wollen vorerst auf Solarstrom verzichten", sagt Braune, der das Vorgehen der Bundesregierung als "desaströs" bezeichnet.
In Norderstedt sollen 1000 Anlagen bis zum Jahr 2020 installiert werden
Der Kürzungsbeschluss, von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) gemeinsam vorangetrieben, sei ein erheblicher Rückschlag für die Energiewende und für die deutsche Solarwirtschaft. Die Hersteller hätten ohnehin schon an der Grenze der Rentabilität produziert, jetzt bleibe nur noch, billige chinesische Module auf die Dächer zu schrauben.
Die SIN, eine Bürgergenossenschaft, verfolgt das ehrgeizige Ziel, bis 2020 Fotovoltaikanlagen auf 1000 Norderstedter Dächern installiert zu haben. Das, so Braune, dürfte jetzt noch schwieriger werden als ohnehin schon. Denn die Rendite sinkt. Bisher lag sie bei acht Prozent, Braune geht davon aus, dass sie nach der Kürzung um rund 1,5 Prozent zurückgehen wird. Bisher hat die SIN Anlagen auf 29 Häusern montiert.
Leidreiter sieht Gefahr für ein größeres Projekt in Bad Bramstedt: Dort will der Schulverband eine 500-Kilowatt-Anlage auf die Dächer der Gemeinschaftsschule Auenland, der Grundschule am Storchennest und der Grundschule Wiemersdorf verteilen und damit die Energiewende in der Stadt voranzutreiben. Zurzeit erzeugen Module auf den Dächern des Bauhofes, der Jürgen-Fuhlendorf-Schule, des Feuerwehrgebäudes und der Kita Hochfeld 235 Kilowatt.
+++ Nach wie vor eine lohnende Investition +++
Die geplante Kürzung platzt mitten hinein in die Planung der neuen Anlage. Sie fällt unter die Kategorie große Freiflächenanlagen, ab 9. März wird es wohl nur noch 13,5 Cent statt bisher 18,33 Cent Vergütung pro Kilowattstunde geben. Hinzu kommt: Zehn Prozent des Sonnenstroms dürften nicht mehr ins Netz eingespeist, sondern müssten vom Erzeuger selbst verbraucht werden. "Da die Schulen den Strom aber beispielsweise in den Ferien nicht nutzen können, müsste er an der Strombörse in Leipzig auf dem freien Strommarkt verkauft werden. Der Erlös dürfte deutlich unter der Vergütung liegen", sagt Leidreiter, der mit seinem Team vom Solarzentrum das Projekt betreut.
Jan-Uwe Schadendorf, einer der beiden Geschäftsführer der Genossenschaft Sonnenkraftwerk Bad Bramstedt, sieht ein anderes Problem: "Wenn wir den Strom an den Schulverband verkaufen, kommen wir damit in eine ungute Situation, weil wir dann zur Konkurrenz für die Stadtwerke werden. Das wollen wir nicht." Er befürchtet, dass das gesamte Projekt gefährdet ist. Mit einer solch drastischen Absenkung sei es wohl nicht mehr rentabel, es sei denn, die Photovoltaikmodule würden zu Schleuderpreisen angeboten, weil sie nicht mehr verkäuflich sind. Schadendorf hofft, dass das Vorhaben noch unter die alte Regelung fällt.
"Wir kritisieren nicht so sehr den Grundsatzbeschluss, die Vergütung zu senken, sondern den Zeitplan", sagt Leidreiter. Damit seien Planungs- und Investitionssicherheit, bis jetzt die wichtigsten Erfolgsfaktoren der Fotovoltaik, nicht mehr gegeben.
Auch "Solarteure" aus dem Kreis wollen in Berlin demonstrieren
"Die Bundesregierung das Vertrauen in die Gesetzgebung innerhalb kürzester Zeit verspielt", sagt der Geschäftsmann, der 13 Mitarbeiter beschäftigt und sein Geschäftsmodell langfristig ausgerichtet habe. "Es war allen klar, und ich halte es auch für richtig, dass die Vergütung in den nächsten Jahren sinkt", sagt Leidreiter. Ziel sei immer gewesen, dass die Fotovoltaik irgendwann ohne Subventionen auskommt.
Der Solar-Unternehmer geht davon aus, dass Tausende von Arbeitsplätzen vernichtet werden. Davon sei besonders der Mittelstand mit den Installateuren, Projektplanern und Maschinenbauern betroffen. Auch mit chinesischen Modulen erfolge ein Großteil der Wertschöpfung in Deutschland. Einige seiner "Solarteure" werden am Montag nach Berlin fahren. Am Brandenburger Tor wollen sich Mitarbeiter der Solarwirtschaft, Gewerkschaftsvertreter und Umweltschützer zu einer Großdemo gegen die Kürzung treffen.