Anwohner der Bahntrasse kritisieren, dass Triebwagen mit Motoren eingesetzt werden, die auf den Straßen nicht mehr zugelassen sind.

Norderstedt. Wenn Klaus-Otto Cordua aus seinem Terrassen-Fenster an der Glockenheide in Friedrichsgabe blickt, dann wirkt die Landschaft davor wie in Dunst getaucht. Die Scheibe ist voller winziger Sprenkel. Klaus-Otto Cordua verwischt die Sprenkel mit dem Finger, sodass schließlich ein schmieriger Film auf der Fensterscheibe entsteht. "Diesel-Öl von den Triebwagen der AKN", sagt Cordua. Von der Bahntrasse des Nahverkehrszuges ist das Grundstück des Norderstedters nur durch eine schmale Straße getrennt.

Der Bauingenieur im Ruhestand nennt es einen Umweltfrevel, dass die AKN seit knapp zwei Jahrzehnten Triebwagen mit Motoren einsetzt, die auf den Straßen schon lange nicht mehr zugelassen sind. "Die Verbrennung in den Motoren ist so schlecht, dass neben dem Rußausstoß auch klares Dieselöl in die Umwelt geblasen wird", sagt Cordua. Wie könne es sein, fragt sich der Norderstedter, dass die Bürger und die freie Wirtschaft gezwungen werden, Motoren mit Katalysatoren und Rußfiltern auszurüsten, während der öffentliche Nahverkehr die Umwelt in höchstem Maße belasten darf.

Jörg Minga, Sprecher der AKN in Kaltenkirchen, bestreitet nicht, dass die Motoren der Triebwagen nach heute geltendem Recht nicht mehr für den Betrieb zugelassen wären. "Aber wir haben für die Triebwagen eine 30-jährige Bestandsgarantie. Das bedeutet, wir dürfen sie fahren, bis sie kaputt gehen. Falls wir die Motoren austauschen, müssen die neuen auch den geltenden Bestimmungen entsprechen."

Vier Triebwagen gehören der Verkehrsgesellschaft Norderstedt

Die AKN setzt im Personenverkehr zweiteilige Triebwagen (LHB VT 2E) mit dieselelektrischem Antrieb ein. Im Jahr 1976 wurden insgesamt 16 Doppeltriebwagen beschafft, die die Bezeichnung VTE tragen, 1993 wurden dann 19 Doppeltriebwagen des weiterentwickelten Typs VTA mit Asynchronmotoren beschafft. Vier Triebwagen davon gehören der Verkehrsgesellschaft Norderstedt.

Auch für Oliver Weiß, Sprecher der Verkehrsgesellschaft bei den Stadtwerken, ist die rechtliche Lage eindeutig: "Die Bestandsgarantie gilt, sie ist aus betriebswirtschaftlichen Gründen auch nötig. Außerdem ist es meinen Informationen nach gar nicht möglich, die Triebwagen mit Filtern nachzurüsten."

Die Bereitschaft der Betreiber der Bahnlinie, die Wagen in absehbarer Zeit teuer nachzurüsten, dürfte durch die aktuellen Entwicklungen ohnehin gegen null gehen. Die Elektrifizierung der Strecke ist in der politischen Diskussion. Einstimmig hat der Hamburger Verkehrsausschuss kürzlich die Elektrifizierung des 30 Kilometer langen Abschnitts zwischen Eidelstedt und Kaltenkirchen empfohlen. Schon zuvor hatten sich der Kieler Landtag und die betroffenen Kommunen für das Projekt ausgesprochen. Eine Entscheidung der Landesregierungen steht noch aus. Für 10 000 Pendler, die diesen Abschnitt täglich nutzen, würde das Umsteigen in Eidelstedt entfallen.

Nach der Elektrifizierung werden alle Züge mit Strom fahren

Nach der Elektrifizierung werden alle Züge mit Strom angetrieben. Allein die Kosten für die Elektrifizierung werden auf 50 Millionen Euro geschätzt. Die AKN muss zudem weitere 50 Millionen Euro für neue Züge aufbringen. Öl und Ruß auf Norderstedter Scheiben hätten sich dann allerdings erledigt.

Doch Klaus-Otto Cordua sieht schwarz. "Da die öffentliche Hand zurzeit nur leere Kassen hat, ist damit zu rechnen, dass in den weiteren elf Jahren der Betriebsgenehmigung wohl weder eine Elektrifizierung noch eine Abgasreinigung zu erwarten ist."

Er und seine Nachbarn müssen also weiterhin die Folgen tragen. "Wollen sie saubere Fensterscheiben haben, müssen sie sie fast täglich putzen", sagt Cordua. Das Dieselöl setze sich auf den Fassaden und auf den Pflanzen ab, bis zu 100 Meter weit links und rechts der Bahntrasse, je nach Windrichtung.