Bad Segeberg: Gegen den Willen der Besatzer war Max Schmeling bei einer der ersten Boxveranstaltungen nach dem Krieg mit dabei - als Ringrichter.
Bad Segeberg. Ein Boxidol im Gefängnis: Max Schmeling hatte vermutlich keine guten Erinnerungen an Bad Segeberg. Einige Boxsportfreunde kramten nach dem Tode des ehemaligen Boxweltmeisters in ihren Unterlagen und förderten dabei Erstaunliches zu Tage. Nach dem Kriege erlebte Schmeling hier, wie tief der Haß der Alliierten gegen ihn war. Er spürte aber auch, wie sehr die Menschen ihn verehrten.
Längst verschüttet und in keinen offiziellen Analen geführt ist die Segeberger Schmeling-Episode: Mehr als 12 000 Menschen strömten zusammen, um am 6. Oktober 1945 eine der ersten großen Boxveranstaltungen in Deutschland nach dem Krieg zu erleben. Zwei Namen elektrisierten die Massen: Der aufstrebende Boxstar Hein ten Hoff sollte im Ring stehen, um seinen zweiten Profikampf zu bestreiten; zudem war durchgesickert, daß mit Max Schmeling, der bedeutendste deutsche Boxer aller Zeiten anwesend sein würde. Offiziell allerdings durfte der Name nicht genannt werden: Schmeling war von der englischen Besatzungsmacht wegen seiner angeblichen Nähe zu den Nazis unerwünscht.
Max Schmeling kam: Weißer Mantel, breitkrempiger Hut, ein freundliches Lächeln und ein nettes Wort für jedermann. Das Geschehen im Ring war plötzlich zweitrangig, die 12 000 Zuschauer wollten ihr Boxidol sehen. Und die britischen Befehlshaber hatten die Macht der Masse unterschätzt: Lautstark forderten Tausende den Einsatz ihre Idols - die Veranstalter der Freiluft-Boxveranstaltung hatten offenbar insgeheim mit einer solchen Reaktion gerechnet und waren vorbereitet. Max Schmeling stieg unter dem Beifall der Besucher in den Ring und fungierte beim Kampf Hein ten Hoff gegen Hans Kupsch als Ringrichter. Allerdings nicht in der damals üblichen weißen Ringrichterbekleidung, sondern in normaler Straßenkleidung. Lange allerdings stand er nicht im Ring: ten Hoff schlug seinen Gegner schon in der dritten Runde k. o.! Schmeling hatte keine Probleme bei der Leitung des Kampfes.
Der Kampf fand unter Aufsicht statt: Die englischen Besatzer saßen skeptisch am Ring und beobachteten das Geschehen. Für Max Schmeling hatte das Auftreten in der Segeberger Kalkbergarena Folgen: Der ehemalige Boxweltmeister durfte nicht am offiziellen Empfang im Kurhaus teilnehmen und wurde statt dessen in die Pension Sommer an der Lindenstraße abgeschoben. Und es geschah noch mehr: Für eine Nacht landete das Idol der Deutschen im Gefängnis.
Die Schmach saß tief, zumal sich Schmeling zu Unrecht in die Nähe der Nazis gerückt sah. Später kam er allerdings gerne wieder nach Bad Segeberg: Am 4. Juli 1984 wurde der Jahrhundertsportler während der Karl-May-Spiele zum Ehrenhäuptling ernannt. Als "Häuptling Sicheres Auge" gehört er seitdem neben Ella Fitzgerald und Fats Domino zu den Persönlichkeiten, die eine besondere Beziehung zu den Segeberger Indianerspielen haben. Der Boxer Hein ten Hoff kehrte schon viel früher wieder nach Bad Segeberg zurück: Er boxte hier am 16. Juni 1946 gegen Herbert Runge, den Olympiasieger von 1936, und gewann durch K. o. in der sechsten Runde - ohne "Maxe" als Ringrichter.