Das Landgericht Kiel beschäftigt sich mit der Schießerei in Kaltenkirchen. Eine 21 Jahre alte Frau muss sich vor Gericht verantworten.
Kaltenkirchen. Das Landgericht Kiel rollt erneut einen Prozess gegen eine 21 Jahre alte Frau auf, die an einer Schießerei vor der Holstentherme in Kaltenkirchen im Januar 2009 beteiligt gewesen sein soll. Die Staatsanwaltschaft wirft der Neumünsteranerin vor, den 34 Jahre alten André D. zum Parkplatz vor dem Erlebnisbad gelockt zu haben, wo ein bislang unbekannter Mann das Opfer niederschoss und schwer verletzte. Der "Lockvogel" muss sich wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung verantworten.
Die Ermittlungsbehörden gehen davon aus, dass der brutale Angriff vor dem Erlebnisbad zu den vielen schweren Straftaten des sogenannten Rockerkriegs zählt, der jahrelang zwischen verfeindeten Banden tobte.
Das Amtsgericht Neumünster hatte die 21-Jährige im März 2010 freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte jedoch gegen das Urteil Berufung ein, sodass sich die junge Frau ab heute erneut vor Gericht verantworten muss. Das Landgericht wird voraussichtlich mit starken Polizeikräften gesichert, um Racheakte und erneute Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Rockern zu verhindern. Auch der Prozess in Neumünster hatte unter scharfen Sicherheitsbedingungen stattgefunden.
Die Angeklagte ist seit Ende des Jahres 2008 mit einem Mann verlobt, der immer wieder in Streit mit André D. geraten war. Beide Männer kennen sich schon lange, gingen mehrfach aufeinander los und setzten dabei auch Waffen ein. Gegen den Verlobten der Angeklagten wird ebenfalls ermittelt.
Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Angeklagte von dem bevorstehenden Racheakt wusste, als sie sich mit André D. für den 29. Januar 2009 verabredete. Laut Anklage holte sie mit ihrem Opel Corsa das spätere Opfer ab, fuhr mit D. nach Kaltenkirchen und stellte den Wagen auf einem abgelegenen Parkplatz bei der Holstentherme ab. "Als die Angeklagte und der Zeuge D. aus dem Fahrzeug stiegen und einige Meter in die Richtung des Thermeneinganges gingen, soll der Zeuge D. von maskierten und bislang unbekannt gebliebenen Personen niedergeschossen worden sein", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. "Durch einen von insgesamt fünf Schüssen wurde der Zeuge am Oberschenkel getroffen, wobei es zu einem offenen Oberschenkelbruch kam."
Nachdem André D. verletzt zusammengebrochen war, soll die Angeklagte zu ihrem Auto gelaufen und davongefahren sein, ohne sich um den Verletzten zu kümmern oder Hilfe zu holen. Nach den Schüssen sperrte die Polizei den Tatort in Kaltenkirchen weiträumig ab. Eine Großfahndung nach den Tätern, die maskiert gewesen sein sollen, verlief ohne Erfolg.
Bereits kurz nach der Tat waren die Ermittler der Polizei sicher, dass der Täter André D. nicht töten, sondern nur schwer verletzen wollte. Der Unbekannte hatte gezielt auf die Beine gefeuert. Deshalb hatte die Mordkommission den Fall nicht übernommen. Die Ermittlungen übernahm das Landeskriminalamt in der Landeshauptstadt Kiel, das im Oktober 2009 eine Sonderkommission zur Bekämpfung der Rockerkriminalität und der Unterstützergruppen aus rechtsextremistischer Szene gründete. Gestern war die Soko unterstützt von Spezialkräften im Raum Kiel gegen die "Legion 81" im Einsatz. Ein 39-jähriger Mann wurde verhaftet.
Bereits kurz nach den Schüssen in Kaltenkirchen wurden die Täter in Kreisen der Hell's Angels vermutet. Dieser Verdacht konnte jedoch nie bestätigt werden. André D., der zur Tatzeit in der Nähe von Kiel lebte, litt Monate lang an den schweren Schussverletzungen.