Autorin Ingrid Weißmann legt mit “Ein Mord voraus“ einen neuen Norderstedt-Krimi vor und liest daraus morgen in “Liter-N-atur“

Norderstedt. Mehrere Mal hat sie versucht, ihn umzubringen. Doch immer hat er sich hartnäckig widersetzt, und sie erkannte: Der geht nicht! Der will nicht! Also baute sie ihn als das ein, was er ist: Oberbürgermeister Hans-Joachim Grote - und der findet es gar nicht witzig, dass einer wie Orlando Graf daherkommt und auf seinem Landesgartenschau-Gelände Schrottautos in Landart-Kunst verwandeln will. Und überhaupt: Ist das Kunst? Und wenn ja, kann das weg? Es konnte. Dumm nur, dass in einem der Autos eine Leiche liegt.

"Ein Mord voraus" heißt der neuste Norderstedt-Krimi von Ingrid Weißmann, die mit "Liebe, Sax und kahle Köpfe" bereits 2005 einige Morde in "Nordertown" spielen ließ.

Die Norderstedter Autorin ist zwar nach Henstedt-Ulzburg gezogen, kann aber "ihr" Norderstedt doch nicht lassen. Immer wieder zieht es die Ex-Polizistin an ihren Tatort zurück, dahin, wo sie seit Jahrzehnten Hobby-Autorinnen und -Autoren das Kleine Einmaleins der Dichterei beibringt, Haikus, diese japanischen Fünfzeiler, die so exakt ausgezählt sind und dadurch Botschaften stark komprimiert vermitteln, und Kurzgeschichten, deren Spannung auch noch bis zur letzten Zeile halten soll. Ingrid Weißmann liebt Haikus. Wie man auch in ihrem neusten Krimi nachlesen kann.

Vor allem aber geht es in "Ein Mord voraus" wieder um viel Lokal-Kolorit. Das fängt schon bei der Namensfindung für Schleswig-Holsteins fünftgrößte Stadt an. Hätte der Zusammenschluss der vier Dörfer Glashütte, Garstedt, Harksheide und Friedrichsgabe nicht auch Friedrichslust oder Glasheide heißen können? Oder Embachertal nach dem ersten Bürgermeister? Kann man nachholen, meint Weißmann, und gleichzeitig aktualisieren in Groteburg. Oder Grünburg, weil es doch so schön zur Landesgartenschau passt.

Norderstedts grüne Schau zieht sich wie ein roter Faden durch den Krimi - von "13. August 2009: Noch 616 Tage oder 88 Wochen oder 14 784 Stunden bis zur Eröffnung der Landesgartenschau" auf Seite 6 bis zu "21. April 2010: Noch 52,1 Wochen oder 365 Tage oder 8760 Stunden oder 525 600... Minuten".

"Bis 21. April 2011 ging natürlich nicht, das Buch musste ja auch noch redigiert und gedruckt werden", sagt Ingrid Weißmann, begleitet von einem ihrer lakonischen Krimi-Blicke, Marke "Na, geht da auch alles mit rechten Dingen zu?" Die Frau kann kein Wässerchen trüben. Aber in ihren Krimis gründelt sie ganz tief im Sumpf. Im Norderstedter Sumpf. Ihre Heldin, die Detektivin Sabrina Sax, watet durch Unflat wie Autoklau, Korruption, Hehlerei, Menschenhandel und Mord. Blessuren inklusive. Viele Aktive dieser Stadt dürften sich wieder entdecken. Ein Kunst- und Kulturverein, das Feuerwehr-Museum, ein Buchhändler, Politiker. Wenn auch nicht immer mit genauen Namen. Ingrid Weißmann hat die Entstehung des "Kulturwerks am See" aus der Ruine des Kalksandsteinwerks von der Idee des OB über alle Querelen und Malaisen bis zum Rohbau minutiös begleitet. Das hat schon was Historisches in dieser an Historien armen Vier-Dörfer-Stadt.

"Ich habe die Leichen importiert", sagt Ingrid Weißmann, um gar nicht erst die Debatte aufkommen zu lassen, wem sie denn nun per Mord das Segnen des Zeitlichen wünschen würde. Doch wer Norderstedt aufmischen will, so wie "der Gabriel von Kulturverein Malimu", und sich als "freier Künstler aufspielt, der machen kann, was er will", der muss schon mit einem Todesfall rechnen, zumindest in der Familie.

"Ein Mord voraus" ist gut geplant. Fünf Jahre hat Ingrid Weißmann am Krimi gearbeitet, hat Leichen verschoben, Täter kaschiert, neue Mörder und Opfer entwickelt, bis sie die Landesgartenschau als Mordsgelände entdeckte. Beziehungsweise die Wildnis mit Gestrüpp und gluckernden Wasserlöchern, mit stiller Heide und düsterem Moor, bevor die ersten Bagger anrollten, und der OB sich wie ein kleiner Junge freute, den Schutt wegschaufeln zu können.

Natürlich konnte Weißmann auch in ihrem neusten Krimi nicht von Kiesow lassen: "Schrott sei Dank, dass es Kiesow gibt", steht auf Seite 21. Rasant entwickelt Ingrid Weißmann den Krimi weiter, bis zum Happy End mit Landwein. Da aber sitzt der Mörder in Haft. Oder die Mörderin?

Lesezeiten für "Ein Mord voraus" Dienstag, 10. Mai, Beginn 11 Uhr, jede halbe Stunde bis 15 Uhr, "Liter-N-atur" auf der Landesgartenschau Norderstedt, Staudenlichtung "Glücksquelle" im Waldpark. Donnerstag, 26. Mai, 19.30 Uhr, Buchhandlung am Rathaus, Rathausallee 42, Norderstedt, Eintritt fünf Euro. Freitag, 27. Mai, 19.30 Uhr, Rathaus Tangstedt, Hauptstraße, Eintritt neun Euro. Donnerstag, 23. Juni, 19 Uhr, Johannes-Kirchengemeinde, Bahnhofstraße 77 in Norderstedt. Eintritt frei, um Spenden wird gebeten.

"Ein Mord voraus - Norderstedt-Krimi" von Ingrid Weißmann, Verlag Schardt, Oldenburg, 192 Seiten, 12,80 Euro, im Buchhandel.