Auswanderer: Viele Mecklenburger gingen einst nach Amerika. 200 000 Menschen - fast ein Drittel der Bevölkerung - verließen im 19. Jahrhundert den Nordosten.

Rostock. Wenn US-Präsident George W. Bush morgen in Mecklenburg-Vorpommern mit Einheimischen zusammentrifft, befinden sich unter ihnen mit Sicherheit entfernte Verwandte von Amerikanern. Denn im 19. Jahrhundert hat es regelrechte Auswanderungswellen aus dem Nordosten gegeben, und die USA waren ein beliebtes Ziel. Allein rund 200 000 Menschen kehrten zwischen 1850 und 1900 Mecklenburg den Rücken und zogen ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten - knapp ein Drittel der Bevölkerung. "Es waren vor allem Knechte, Mägde und Tagelöhner, die in Übersee eine bessere Zukunft und ein Stück eigenes Land suchten", sagt der Historiker Werner Pade. Nach der fehlgeschlagenen Revolution von 1848 gab es wenig Hoffnung auf Veränderungen. Auf dem Lande ließ sich auf Grund der starren Macht- und Eigentumsverhältnisse der Traum der kleinen Bauern und Tagelöhner vom eigenen Grund und Boden nicht verwirklichen.

Mecklenburg verlor nach Irland prozentual den größten Teil seiner Bevölkerung durch Auswanderung. Im Land hinterließ das erhebliche Lücken. "Es finden sich in den Quellen zahlreiche Klagen von Gutsbesitzern über fehlende Arbeitskräfte." Man holte sich Ersatz aus Schweden, aus Rußland und dem russisch kontrollierten Polen. Aber sie wurden so schlecht behandelt, daß sie wieder gingen. Man habe damals sogar erwogen, chinesische Kontraktarbeiter ins Land zu holen. Das sei aber nicht verwirklicht worden.

Pade ist Vorsitzender des Rostocker Vereins Institute for Migration and Ancestral Research e.V. (Institut für Migration und Vorfahrenforschung, IMAR), der sich über Jahre intensiv mit der Auswanderung aus Mecklenburg befaßt hat. Es entstand eine Datenbank mit 45 000 Namen von Auswanderern, auf die Amerikaner auf der Suche nach ihren Wurzeln gern zurückgreifen, wie Pade berichtet.

Regionale Schwerpunkte der Auswanderung waren die "Griese Gegend" im heutigen Landkreis Ludwigslust und die ritterschaftlichen Güter um Stavenhagen und Ivenack (heute Landkreis Demmin) - "beides ausgesprochen arme Gegenden". Bemerkenswert sei, daß es den Auswanderungswilligen trotz der schlechten Bezahlung gelungen sei, die Kosten für die Überfahrt aufzubringen.

Es gab auch politische Gründe für die Auswanderung, vor allem nach der fehlgeschlagenen bürgerlichen Revolution von 1848. Lutz Meinhardt, der ebenfalls bei IMAR aktiv ist, hat in alten Zeitungen und Briefen recherchiert. Dabei stieß er auf das Schicksal des Kantors Metelmann aus Dobbertin, der 1848 Mitglied der Nationalversammlung in Schwerin war. "Er kam wegen dieser Dinge um sein Amt und in Noth", heißt es in den Quellen. Man riet ihm, Mecklenburg zu verlassen. Metelmann ging nach New York und wurde dort Kantor, Organist und Lehrer der lutherischen Gemeinde St. Louis. 1893 schrieb ein Korrespondent der "Mecklenburger Nachrichten" aus Chicago, daß von den Mecklenburgern in Amerika, mit denen er gesprochen habe, "nicht ein einziger Reue verriet, daß er ausgewandert sei".

Ihre Heimat Pommern verließen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach Angaben des Chefs des Pommerschen Landesmuseums, Uwe Schröder, rund 350 000 der 1,5 Millionen Einwohner. Damals seien Werbertrupps mit großen Versprechungen durch die ärmsten Regionen Deutschlands gezogen. Hauptziel der Pommern war allerdings Südamerika und da vorrangig Brasilien.

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