Kein anderes Bundesland ist so stark von Abwanderung und Geburtenrückgang betroffen. Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch soll geholfen werden.
Schwerin. Für eine künstliche Befruchtung soll es nach dem Willen des Landtags wieder mehr staatliche Unterstützung geben, aber nicht vom Land, sondern vom Bund. Derzeit müssen Paare mit unerfülltem Kinderwunsch 50 Prozent der etwa 3200 Euro teuren Behandlung tragen. Die andere Hälfte zahlen die Krankenkassen, und zwar für maximal drei Versuche. Mit den Stimmen von CDU und SPD forderte der Landtag am Donnerstag den Bund auf, 25 Prozent der Kosten – also 800 Euro pro Behandlung – zu übernehmen.
Zur Begründung sagte CDU-Fraktionschef Harry Glawe, es gebe 800 000 Paare mit unerfülltem Kinderwunsch in Deutschland, das seien hochgerechnet 16 000 Paare in Mecklenburg-Vorpommern. Sein Fraktionskollege Günter Rühs wies auf die „katastrophalen Folgen“ des Geburtenrückgangs hin. Sozialministerin Manuela Schwesig (SPD) unterstützte den Antrag und erklärte: „Kinder sind das größte Glück.“
Die stellvertretende SPD-Bundesvorsitzende räumte ein, dass die Kürzung der Mittel unter der rot-grünen Bundesregierung zum 1. Januar 2004 ein Fehler gewesen sei. Während bis dahin die gesamten Kosten für vier Behandlungen von den Kassen übernommen wurden, können Paare seit der Gesundheitsreform nur noch eine 50-prozentige Erstattung für maximal drei Versuche bekommen. Die Zahl der Behandlungen sei seitdem „dramatisch“ zurückgegangen, hieß es in der Begründung des von der CDU initiierten Antrags. „Wenn der Wunsch nach Kindern nicht erfüllt wird, ist es ein unendlicher Schmerz für Paare“, sagte Schwesig.
Die Linke forderte in einem Änderungsantrag, das Land solle auch das verbleibende Viertel der Kosten übernehmen. Die frühere Sozialministerin Marianne Linke erinnerte zudem daran, dass ihre Partei 2003 gegen die Reform der damaligen SPD-Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt gestimmt habe. An die Adresse der Sozialdemokraten sagte sie: „Versuchen Sie, das wieder hinzubiegen, was Sie damals verbogen haben.“
Rühs und Schwesig wiesen die Forderung der Linken zurück. Als erstes Bundesland habe zwar Sachsen beschlossen, die künstliche Befruchtung aus Landesmitteln zu unterstützen, sagte der CDU-Abgeordnete. Mecklenburg-Vorpommern sei aber zu arm und könne sich einen Betrag von etwa 700 000 Euro jährlich nicht leisten. Seit März 2009 werden in Sachsen bei der zweiten und dritten Behandlung eine Pauschale von bis zu 900 Euro pro Versuch, für die vierte ein Zuschuss von 1600 bis 1800 Euro gezahlt. „Sagen Sie, wo ich dieses Geld aus dem Sozialhaushalt rausschneiden soll!“, forderte Schwesig die Abgeordnete Linke auf.
Dem FDP-Sozialexperten Ralf Grabow kam der Koalitionsantrag nach eigenen Worten wie ein „Plagiat“ vor. Seine Fraktion habe bereits 2008 einen ähnlichen Antrag eingebracht. Das Vorgehen der Koalition, sich nur an den Bund zu wenden, bezeichnete er als „scheinheilig“. Sachsen habe gezeigt, was ein Bundesland machen könne.
Martina Tegtmeier von der SPD-Fraktion betonte, es gehe ihrer Fraktion nicht darum, frühere Beschlüsse des Landtags zu dem Thema zu kippen, sondern einen neuen Vorstoß zu unternehmen. Die 2004 in Kraft getretene Reform sei „keine Sternstunde“ gewesen. Für Paare mit Kinderwunsch sei die Kürzung ein harter Schlag gewesen. (dpa)