Bei einem Sondertreffen der Länderchefs stimmte Peter Harry Carstensen als einziger gegen den angestrebten Glücksspielvertrag .

Kiel/Berlin. Schleswig-Holstein ist das einzige Bundesland, dass sich gegen den angestrebten Glücksspielvertrag ausgeprochen hat. Bei einem Sondertreffen der 16 Länderchefs in Berlin enthielt sich Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) wegen rechtlicher Bedenken und aus formalen Gründen. Die vorgesehene Begrenzung, lediglich sieben privaten Anbietern von Sportwetten Konzessionen erteilen zu wollen, würde unweigerlich Klagen abgewiesener Bewerber zur Folge haben, sagte der Kieler Regierungssprecher Knut Peters nach dem Treffen. Es müsse auch hier der Gleichbehandlungsgrundsatz gelten. Außerdem widerspreche die Regelung dem Gesetzentwurf, den die Regierungsfraktionen CDU und FDP im Landtag eingebracht hätten.

Die Bundesländer wollen ab 2012 den Milliarden-Sportwettenmarkt unter strengen Auflagen für private Anbieter öffnen. Bis zu sieben Wettfirmen sollen bundesweit eine Lizenz erhalten, die aber vorerst nur fünf Jahre gilt. Beim staatlichen Lotto-Monopol soll sich nichts ändern. Auf diese Eckpunkte verständigten sich die Ministerpräsidenten der Länder.

Beide Fraktionen im Landtag lobten Carstensen und kündigten an, den Staatsvertrag nicht zu akzeptieren. Dagegen äußerte die Opposition von SPD, Grünen und SSW massive Kritik am „Alleingang“ Schleswig-Holsteins. Sie warfen der Regierung vor, die Glücksspiel-Lobby zu bedienen. Der Kieler Wettanbieter Jaxx se erklärte, auch weiterhin den von Schleswig-Holstein eingeschlagenen Weg, der eine weitergehende Liberalisierung, keine Begrenzung der Zahl der Konzessionen und vor allem eine maßvollere Besteuerung der Sportwetten vorsieht, zu unterstützen: „Wenn Schleswig-Holstein sein eigenes Gesetz wie geplant auf den Weg bringt, sind wir dabei!“

Der Alleingang Schleswig-Holsteins wird nach Ansicht der SPD gravierende Nachteile für die Bürger des Landes haben, „weil der Ausschluss aus dem deutschen Lottoblock droht und Schleswig-Holstein nicht mehr an den Jackpot-Ausschüttungen teilenhmen könnte“, sagte SPD-Fraktionschef Ralf Stegner. „Das Motiv für den Alleingang kann ja nur darin liegen, dass CDU und FDP der Lobby dermaßen große Versprechungen gemacht haben, dass die Regierung nicht einmal mit dem Kompromiss zufrieden war.“ Damit sei Schleswig-Holstein im Kreis der Länder vollständig isoliert worden.

CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher sagte, „eine Beschränkung der Konzessionen auf sieben wäre europarechtlich nicht haltbar. Diesem Vertrag können wir nicht zustimmen.“ FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki ergänzte: „,Niemand kann rechtlich sauber begründen, weshalb dem achten Anbieter der Zugang zum Markt zu verwehren ist. Die Klagen gegen die Diskriminierung wären ebenso absehbar wie das Ergebnis vor dem Europäischen Gerichtshof. Wir haben uns schon einmal eine schallende Ohrfeige abgeholt. Nochmal machen wir das nicht mit. Dann regeln wir das lieber alleine.“ Der CDU-Glücksspielexperte Hans-Jörn Arp meinte, die anderen 15 Länder würden auch noch erkennen, dass ihre Regelung nicht haltbar sei.

Teilnehmer der Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz sitzen am Mittwoch (06.04.2011) in Berlin in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt. Die Vertreter der Länder trafen sich, um den Glücksspielstaatsvertrag neu zu regeln. Foto: Tobias Kleinschmidt dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++
Teilnehmer der Sonder-Ministerpräsidentenkonferenz sitzen am Mittwoch (06.04.2011) in Berlin in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt. Die Vertreter der Länder trafen sich, um den Glücksspielstaatsvertrag neu zu regeln. Foto: Tobias Kleinschmidt dpa/lbn +++(c) dpa - Bildfunk+++ © dpa/DPA | dpa

Die Grünen hielten CDU/FDP „Lobbyismus vom Feinsten“ vor. Mit Blick auf eine umstrittene Einladung von Glücksspiel-Anbietern an Politiker erklärten die Grünen, „die Sylter Sause scheint ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben“. „Wir Grünen jedenfalls werden unsere Hand für ein schwarz-gelbes Las Vegas des Nordens nicht reichen.“ Der kompromisslose Alleingang von Carstensen zeige, „dass sich die Landesregierung lieber dem Diktat der milliardenschweren Glücksspielanbieter unterwirft, als eine bundeseinheitliche, vernünftige Regelung auf den Weg zu bringen“.

Die Vorsitzende der SSW-Landtagsfraktion, Anke Spoorendonk, warf CDU/FDP vor, nur nach den Steuereinnahmen zu schielen. Bei Sportwetten gehe es aber um ein Angebot mit hohem Suchtpotenzial. „Es ist skandalös, dass Carstensen und Kubicki im Namen der Schleswig-Holsteiner andere Bundesländer erpressen, um die Sportwetten zu legalisieren und die Sportwettenanbieter nach Schleswig-Holstein zu locken“, sagte Spoorendonk und forderte die Landesregierung auf, „ihren renitenten Sonderweg zu verlassen“.

Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) sprach von einem vernünftigen Kompromiss. „Es bleibt zu hoffen, dass am Ende alle 16 Bundesländer mitmachen“, sagte Scholz mit Blick auf Kiel. (dpa)