Kreispolitiker beklagt angebliche Missstände in der Stader Verwaltung . Landrat weist die Vorwürfe zurück
Stade. Der Kreistagsabgeordnete Benjamin Koch-Böhnke (Die Linke) erhebt Vorwürfe gegen die Stader Kreisverwaltung. Der Politiker wirft Mitarbeitern der Ausländerbehörde vor, Antragsteller falsch informiert zu haben und sie in herablassender Art zu behandeln. Zudem seien die Räumlichkeiten mangelhaft. So müssten Menschen vor den Behördenmitarbeitern stehen, wenn sie ihre Anträge abgeben. Landrat Michael Roesberg, der Chef der Kreisverwaltung, weist die Vorwürfe zurück.
Seit mehreren Jahren ist Florence B. (Name von der Redaktion geändert) in Deutschland. Sie sagt, sie möge das Land, sie wolle hier arbeiten und sich eine Zukunft aufbauen. Bisher hatte die junge Frau aus Afrika dabei nach eigenen Angaben auch keine Probleme. Mit einem Visum war sie nach Deutschland gekommen, um eine Arbeit aufzunehmen. Nach dem ersten Job folgte ein weiterer. Für ihre Tätigkeiten brauchte Florence B. stets eine Aufenthaltsgenehmigung sowie eine Arbeitserlaubnis vom Ausländeramt.
Die junge Frau berichtet, dass sie bereits in mehreren Bundesländern Ausländerbehörden kennengelernt, eine Arbeitserlaubnis beantragt und bekommen habe. "Ich bin immer gut behandelt worden", sagt sie in fast akzentfreiem Deutsch. Die Büros seien offene Räume gewesen, die Mitarbeiter freundlich und interessiert. Nur in Stade sei das nicht so. "Hier sind die Leute sehr unfreundlich und überhaupt nicht hilfsbereit", sagt sie. Warum sie schlecht behandelt wurde, weiß die junge Frau, die im Sommer in Stade eine Arbeitserlaubnis beantragte, bis heute nicht. Und sie steht mit diesen Erfahrungen nicht alleine da.
Mindestens fünf Menschen aus Afrika, dem Nahen Osten und Südeuropa sind mit den Zuständen und Umgangsformen bei der Ausländerbehörde in Stade unzufrieden. Lange haben sie geschwiegen, vor allem aus Furcht, dass die Behörde sie künftig benachteiligen oder gar abstrafen könnte. Nun haben sich diese fünf Personen dem Linken-Kreistagspolitiker Benjamin Koch-Böhnke anvertraut.
Ihr Wunsch: Der Politiker soll ihre Beschwerden anonymisiert an die Kreisverwaltung weiterleiten. Konkret bedeutet das: Die Betroffenen werfen Mitarbeitern der Behörde vor, sie in einem militärischen Ton herumzukommandieren, ihnen nicht die Informationen zukommen zu lassen, die sie hätten erhalten müssen, und sie zudem falsch beraten zu haben.
Florence B. ist die als einzige der fünf Betroffenen, die sich traut, ihre Geschichte auch gegenüber dem Abendblatt zu schildern. Gleichwohl will sie anonym bleiben. Sie befürchtet, dass alles, was sie sagt, dazu führen könnte, dass ihr Aufenthalt in Deutschland abrupt beenden werden könnte.
Das Büro des Ausländeramtes im Stader Kreishaus ist nicht sonderlich groß. In diesem Büro ist zudem ein kleiner und enger Besucherraum eingerichtet, von den Behördenmitarbeitern mit einer hölzernen Trennwand und mit einer Plexiglasscheibe abgegrenzt. Nicht einmal zwei Quadratmeter groß ist der abgetrennte Raum, in dem die Menschen stehen müssen, wenn sie Rat suchen oder ihre Anträge abgeben. Sitzgelegenheiten? Fehlanzeige. Platz dafür wäre hier ohnehin nicht. Die Tür lässt sich gerade noch öffnen, zwei Personen passen kaum zeitgleich in den Besucherraum hinein. Nur ein kleines Loch in der Scheibe ermöglicht es den Antragstellern, Dokumente einzureichen. "Es war ein unglaublich bedrückendes Gefühl", sagt die Afrikanerin.
Ihre Unterlagen für eine Arbeitserlaubnis hat Florence B. hier abgegeben. Danach, so erzählt sie, sei sie harsch und mit militärischem Unterton aufgefordert worden, im Flur zu warten. "Als ich wieder hereingerufen wurde, haben die mir nur gesagt, die Arbeitsagentur sei für mich zuständig", sagt die Frau. Keine Kontaktadresse, kein Informationspapier, keine Erklärung, gar nichts habe sie erhalten. Auch keine Rechtsbelehrung, in der ihr erklärt werde, dass sie gegen jede Entscheidung des Amtes Einspruch einlegen kann.
Die Erfahrungen von Florence B. seien, so Koch-Böhnke, kein Einzelfall. "Die betroffenen Ausländer haben sich oft über mangelnde Beratung beklagt. Sie hatten häufig das Gefühl, entweder gar nicht oder nur unzureichend informiert worden zu sein", sagt er. "Informationen über Hilfsangebote und die den Antragstellern zustehenden Rechte sind oft nicht vermittelt worden."
Als Florence B. bei der Agentur für Arbeit ankam, um ihre Arbeitserlaubnis einzuholen, sei der jungen Frau gesagt worden, dass der Landkreis für sie zuständig sei. Ein hin und her, das die Frau nach eigener Aussage stark verunsichert hat. Fakt ist: Die Agentur für Arbeit ist in einem solchen Fall nicht zuständig. Das bestätigt Peter-Michael Haak von der Stader Agentur. "Wir sind nur für Bürger aus den EU-Staaten zuständig, wenn es um eine Arbeitserlaubnis geht. Für alle anderen Staaten ist die Ausländerbehörde des Kreises zuständig", sagt Haak.
Florence sagt, sie habe von Anfang an Zweifel an der Aussage der Stader Behördenmitarbeiter gehabt, denn in den anderen Bundesländern hatte sie ihre Arbeitserlaubnis auch immer bei der Ausländerbehörde erhalten. "Ich hatte in dem Moment aber nicht den Mut, etwas zu sagen, denn es könnte ja falsch verstanden werden."
Die Stader Kreisverwaltung weist die Kritik an der Behörde zurück. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass unsere Mitarbeiter sich falsch verhalten haben. Es gab zuletzt auch keine Beschwerden wegen der Arbeit der Mitarbeiter in der Ausländerbehörde", sagt Landrat Michael Roesberg. Er räumt allerdings ein, dass die Räumlichkeiten nicht unbedingt den größten Charme versprühen: "Die Trennscheibe wurde Anfang der 90er-Jahre eingebaut, denn damals gab es mehrere Fälle, in denen Antragsteller handgreiflich geworden sind", sagt Roesberg. Andere Verwaltungen würden laut Roesberg inzwischen ebenfalls erwägen, Trennscheiben einzubauen.
Roesberg sagt, er müsse die Sicherheit seiner Mitarbeiter so weit wie möglich garantieren. "Es kann immer einmal vorkommen, dass jemand aggressiv wird. Ich muss aber sagen, dass die Mehrzahl der Antragsteller sich völlig korrekt verhalten", sagt Roesberg. An dem begrenzten Platz für die Antragsteller im Büro werde sich laut Landrat vorerst nichts ändern: "Es gab und es gibt keine Überlegungen, in ein anderes Büro umzuziehen." Der Platz sei zwar knapp bemessen, aber ausreichend.
Ob sich am mehrfach kritisierten Umgangston im Kreishaus etwas ändern wird, ist unklar. Das Thema wird die Verwaltung aber noch länger beschäftigen. Koch-Böhnke hat eine Anfrage an den Stader Kreistag gestellt, in der er exakte Auskünfte von Roesberg zur Arbeit des Amtes einfordert.