Hannover. Sie sind nur 14 und 18 Jahre alt, aber als jugendliche Intensivstraftäter landen sie mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später im Gefängnis. Um genau dies zu verhindern, hat Niedersachsen vor Jahresfrist als erstes Bundesland ein einheitliches Punkte-Erfassungssystem für diese Problemgruppe eingeführt. Seither rücken Polizei, Justiz und Jugendämter den jungen Straftätern regelrecht auf die Pelle mit Hausbesuchen und Fallkonferenzen, auch die Eltern werden einbezogen.
Innenminister Uwe Schünemann konnte gestern in Hannover von ersten Erfolgen dieses Maßnahmenpakets berichten. "Immer wenn es uns gelingt, zu verhindern, dass sich kriminelle Karrieren verfestigen, dann ist ein wichtiger Schritt zu einer sicheren Gesellschaft getan." Wie nötig solche Anstrengungen sind, belegen die Zahlen. Im vergangenen Jahr registrierten die Behörden 116 minderjährige Intensivtäter, das Spektrum reicht von Raub über Körperverletzung, Nötigung bis hin zum Drogenhandel. Sie begingen 3078 Straftaten, also 26 im Durchschnitt. Trauriger Spitzenreiter war dabei ein 17-Jähriger aus dem Raum Stade, der 70 Straftaten anhäufte und deshalb im Gefängnis sitzt.
Vielleicht ein erster Erfolg der sogenannten regelmäßigen "Gefährderansprache": Gemessen an den Durchschnittszahlen für das Jahr 2009 gibt es einen Rückgang auf aktuell noch 99 Intensivstraftäter im jugendlichen Alter. Innenminister Schünemann: "Die Maßnahmen beginnen zu greifen." Einer von den Polizisten, die durchaus auch unangemeldet bei den Jugendlichen vor der Tür stehen und klingeln, ist Polizeihauptkommissar Andreas Twardowski aus Salzgitter. Er schilderte bei der Pressekonferenz in Hannover im Beisein des Ministers gestern offen seine anfängliche Skepsis, als das Konzept verkündet wurde. Inzwischen aber registriert er Erfolge: "Das System hat sich bewährt." So hat ein 16-Jähriger, den er betreut, inzwischen als Folge der regelmäßigen persönlichen Kontakte sein Punktekonto deutlich reduziert und kann hoffen, demnächst nicht mehr als Intensivstraftäter zu gelten. Und ein 17-Jähriger, der durch diverse Rohheitsdelikte besonders viele Punkte angehäuft hatte, macht inzwischen eine berufliche Weiterbildung und ist seit mehreren Monaten völlig unauffällig. Wichtig aus seiner Sicht des Praktikers Twardowski ist auch der Kontakt mit den Eltern: "Wir bauen Hemmschwellen ab."
Besonders im Blick hat Minister Schünemann solche Jugendlichen, die sich durch "gesteigerte Gefühlskälte" hervortun, also bei Prügeleien und Überfällen besonders viel Angst verbreiten.
Basis für die Einstufung als "minderjähriger Schwellen- oder Intensivstraftäter" im Auskunftssystem der Polizei ist die Bewertung der Straftaten nach einem Punktesystem. Die entsprechenden Listen gehen dann an Staatsanwaltschaft, Jugendamt und Schulen und sind Basis für die regelmäßige Kontaktaufnahme. Schünemann: "Alle, die mit der Kinder- und Jugendhilfe sowie der Gefahrenabwehr und Kriminalitätsbekämpfung zu tun haben, müssen ihre Maßnahmen zu Intensivtätern aufeinander abstimmen."