Ob Hippies oder Wickies starke Männer - selbst klirrender Frost hält die Narren in Damme bei Vechta nicht von der „fünften Jahreszeit“ ab.

Damme. Traditionellerweise feiern die Dammer Narren ihren Rosenmontag eine Woche vor den Hochburgen am Rhein. Auch Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) lässt sich einen Besuch nicht nehmen. Natürlich steigt er an diesem Mittag auch in die Bütt beim Ehrenempfang im Dammer Rathaus. „Das wahre Rio, das ist in Damme“, ruft er den Narren zu, die dafür dankbar zurückjohlen.

Im 16 000 Einwohner zählenden Damme gebe es 9000 aktive Narren, sagt er. Der Rest mache wahrscheinlich im Kinderwagen mit. „Prozentual sind das die meisten Karnevalisten weltweit“, sagt er. Wie es sich für eine närrische Ansprache gehörte, spart der Regierungschef natürlich auch nicht mit ironischen Seitenhieben auf sich selbst. Niedersachsen müsse Porsche nicht bezahlen, um ihn fahren zu können, sagt er. „Und wir müssen auch nicht bezahlen, um vorn zu fliegen“, sagt er mit Blick auf seine kürzlich mit einem blauen Auge überstandene Flugaffäre. Die Selbstironie quittiert das Publikum mit herzlichem Gelächter.

Natürlich spart er nicht mit Spott über die Sozialdemokraten. „Die SPD kann's nicht sein, die ist im Moment ja nirgendwo“, sagt er, als die Lautsprecheranlage einen Moment gestört ist. Es ist unüberhörbar: Wulff hat ein Heimspiel hier im tiefschwarzen Oldenburger Münsterland. Dass die Dammer Narrenuhr ein bisschen anders geht als sonst im Land, geht auf das späte 19. Jahrhundert zurück. Als der Bischof von Münster 1892 den Dammer Karneval ausbremsen wollte und an Rosenmontag ein vierzigstündiges Gebet ansetzte, reagierten die frommen aber gewitzten Dammer auf ihre Art: Seitdem feiern sie Karneval einfach eine Woche früher als in den meisten anderen Hochburgen.

„Wenn man Dammer ist, und die Eltern nehmen einen überall mit hin, kann man das nicht verhindern, auch beim Karneval mitzumachen“, schilderte Torsten Stradal ein typisches Narren-Schicksal aus der Kleinstadt. Zunächst muss er an diesem Tag beim „Dammer Narrenblech“ Karnevalslieder musizieren, um anschließend schnell zu seinem Motivwagen zu gehen. „Ich bin seit Kindesbeinen dabei, seit 26 Jahren“, sagte er.

Die heiße Phase des Dammer Straßenkarnevals begann bereits am Samstagabend. „Allmählich bin ich ausgepowert“, gibt er grinsend zu. Auf die Närrinnen und Narren seiner Stadt lässt Bürgermeister Gerd Muhle nichts kommen. „Wir haben hier den größten Karneval Norddeutschlands“, sagt er selbstbewusst. An kaum einen anderen Ort sei der Brauch so tief verwurzelt wie in seiner Stadt. „Hier feiern Jung und Alt noch zusammen“, betont er. Auch der Präsident der „Dammer Carnevalsgesellschaft von 1614“, Wolfgang Friemerding, lässt nichts auf seine Narren kommen. Nirgendwo sonst seien die Motivwagen mit so viel Liebe gemacht.

Zum alten Streit, ob nicht vielleicht doch die Braunschweiger den größten Straßenkarneval in Niedersachsen feiern, hat er eine klare Meinung: „Wir sind größer.“ 9000 Mitwirkende, 200 Wagen, so viel gebe es nirgends sonst in Norddeutschland. Den Einwand, dass auch die Braunschweiger ähnliche Zahlen anführen, kontert er trocken mit einem Augenzwinkern: „Ach, seit neuestem? Dann haben die das von uns abgeschrieben.“

Allerdings muss auch er zugeben, dass bei den Teilnehmerzahlen am Zug in Damme nicht so viele Menschen auf der Straße sind wie in Braunschweig. Am Sonntag waren es rund 30 000. „Verdient hätte der Zug sicherlich 100 000, wenn nicht sogar eine Million Zuschauer.“ Den Streit, welche Stadt den größten Karnevalsumzug hat, entscheidet heute auch Landesvater Wulff nicht. Er übt sich in Diplomatie. Von der Karnevalsbegeisterung der Niedersachsen könnten sich die Münsteraner und Rheinländer noch eine Scheibe abschneiden, sagt er, bevor er das Rathaus betritt: „Es ist eindrucksvoll, was sich in Braunschweig, Osnabrück und Damme tut.“