Fünf norddeutsche Länder drängen die Bundesregierung gemeinsam zu einem Rettungsplan. KfW-Kredite stehen im Fokus.
Bremerhaven/Hamburg. Die maritime Wirtschaft lässt sich nach Ansicht der norddeutschen Wirtschafts- und Verkehrsminister nur durch massive staatliche Hilfen vor einer schweren Krise schützen. Im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen die Küstenländer kurzfristig ein Maßnahmenpaket aushandeln, teilten die Minister aus Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gestern nach ihrer Herbsttagung in Bremerhaven mit. "Die massiven Verwerfungen am Markt treffen Werften, Reeder, Schiffsfinanzierer und Banken", sagte Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU). "Uns bleibt nicht viel Zeit."
Für die Rettung der maritimen Wirtschaft setzen die Minister auf verschiedene Maßnahmen zur finanziellen Absicherung der gesamten Branche. Details wollen sie zunächst mit der Kanzlerin besprechen, bevor sie sie in der Öffentlichkeit nennen. "Wir brauchen eine ganzheitliche Lösung, die alle Bereiche umfasst", sagte der Wirtschaftsminister Mecklenburg-Vorpommerns, Jürgen Seidel (CDU). Andernfalls drohe der Exportnation Deutschland der Verlust von weiten Teilen der Handelsschifffahrt.
Die Minister wollen unter anderem Verbesserungen an bereits vorhandenen staatlichen Hilfsprogrammen verlangen, ließen sie in Bremerhaven erkennen. "Die derzeitigen KfW-Programme (Kreditanstalt für Wiederaufbau) bilden die Belange der maritimen Branche nicht so ab, wie wir es sehen", sagte Gedaschko. Die finanziellen Hilfen sollen demzufolge nicht nur das aktuelle Beschäftigungsproblem der meisten deutschen Werften lindern. Es müsse auch darum gehen, den Schiffsfinanzierern wieder zu besseren Bewertungen ihrer Anlageobjekte zu verhelfen. "Dann können die Banken den Reedern wieder auf die Sprünge helfen", sagte Gedaschko. Die Programme müssten auch die Interessen der Hafenwirtschaft berücksichtigen, die derzeit nicht einmal die Fixkosten der Infrastruktur erwirtschafte. Neben nationalen Anstrengungen erwarten die norddeutschen Minister auch internationale Bemühungen, die durch Überkapazitäten geprägte Schifffahrt gezielt aus der Krise zu steuern. "Wir müssen insbesondere Korea und China deutlich machen, dass sie dazu beitragen müssen, die jetzigen Bestellungen weiter in die Zukunft zu tragen", sagte Gedaschko.
Derzeit stehen nach Angaben der Minister weltweit 840 Containerschiffe in den Orderbüchern der Werften, ohne dass für sie ein Bedarf vorhanden wäre. Weitere 500 Schiffe liegen ohne Beschäftigung auf Reede.
Mit ihrer Warnung vor einem Zusammenbruch der maritimen Branche haben die Norddeutschen nach Angaben des Bremer Wirtschaftssenators Ralf Nagel (SPD) bislang bei der neuen Bundesregierung kaum Gehör gefunden. Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) habe in einem ersten Gespräch nur erstaunt nach der Zahl der deutschen Seeleute gefragt. Offenbar sei in Berlin nicht genügend bekannt, "dass die größte deutsche Schiffsmotorenfabrik in Süddeutschland steht", sagte Nagel: "Da müssen wir noch eine ganz schnelle Lernkurve entwickeln."
Die gesamte Kette der maritimen Wirtschaft leidet an den Folgen der Finanzmarktkrise und des Welthandels. Reedereien und Schiffsfinanzierer müssen den rapiden Wertverlust neuer Schiffe fürchten, die noch in den Orderbüchern der Werften stehen. Die Linienreedereien fahren wegen des stagnierenden Handelsvolumens fast durchgängig Verluste ein. Die sinkenden Gütermengen belasten auch die Bilanzen der Hafenwirtschaft. Die deutschen Werften wiederum haben durch Abbestellungen Dutzende Aufträge verloren. Mehrere norddeutsche Schiffbauunternehmen stehen im Insolvenzverfahren. Tausende Stellen auf Werften wurden bereits gestrichen.