Regierung plant Maulkorb- und Leinenzwang für Tiere über 20 Kilogramm Gewicht.

Hannover

Am vergangenen Wochenende haben zwei Rottweiler in Hildesheim zwei kleine Mädchen krankenhausreif gebissen; die 39-jährige Hundehalterin hat 18 Vorstrafen wegen Gewalt- und Drogendelikten. Unter dem Eindruck dieser sowie dreier weiterer Beißattacken von Hunden in Salzgitter, Hildesheim und am Strand der Nordseeinsel Wangerooge binnen einer Woche hat die niedersächsische Landesregierung am Freitag ein ganzes Bündel von Gesetzesverschärfungen angekündigt.

Künftig sollen nach dem Willen von Landwirtschaftsminister Hans-Heinrich Ehlen (CDU) Gewalttäter und Drogenabhängige keine großen Hunde mehr halten dürfen. Und für alle Hunde mit mehr als 20 Kilogramm gilt, dass sie einem Maulkorb oder Leinenzwang unterliegen. Zudem wird die in den meisten anderen Bundesländern längst obligatorische Chip-Pflicht eingeführt, um alle Hunde identifizieren und ihrem Besitzer zuordnen zu können. Auch eine Haftpflichtversicherung wird künftig vorgeschrieben.

Den Oppositionsparteien aber gehen die Vorschläge nicht weit genug, sie fordern einen Hundeführerschein für die Besitzer und einen Wesenstest für gefährliche Hunderassen. In diesem Punkt aber wird sich Niedersachsen auch künftig deutlich unterscheiden von den anderen norddeutschen Bundesländern: Einen verpflichtenden Wesenstest für als gefährlich eingestufte Hunderassen wird es nach Angaben des Sprechers des Landwirtschaftsministeriums, Gert Hahne, nicht geben. Ausnahme von dieser Regel: Wer einen großen Hund hat und diesen ohne Leine und Maulkorb in der Natur frei laufen lassen möchte, muss zum Tierarzt, der dann doch den Wesenstest macht. Es gehe darum, eine tierschutzgerechte Haltung der Hunde zu ermöglichen: "Die haben einen natürlichen Bewegungsdrang und sollen sich durch Laufen austoben können." Beim Wesenstest wird dann laut Hahne jeweils auch der Hundebesitzer eindringlich auf die "Grundvoraussetzungen für die Sicherheit im Umgang mit Hunden hingewiesen". Und auch alle Hunde, die auffällig werden, sollen umgehend einem Wesenstest unterzogen werden - wie bisher auch.

Bei der schweren Beißattacke von Hildesheim waren ein zwei und ein fünf Jahre altes Mädchen von zwei Rottweilern schwer verletzt worden, eines der Kinder hat zudem Gesichtsverletzungen.

Vor diesem Hintergrund reichen der Oppositionspartei SPD die jetzt angekündigten Verschärfungen nicht aus, sie besteht auf einer Rasseliste für Kampfhunde: "Niedersachsen bleibt hier mit Thüringen das traurige Schlusslicht." Ronald Schminke, tierschutzpolitischer Sprecher, geht sogar noch weiter. Wenn Minister Ehlen nicht handele, "trägt er die politische Verantwortung für die immer wieder vorkommenden Unfälle mit Kampfhunden".

Die Grünen-Fraktion im Landtag nannte die geplanten Verschärfungen unzureichend. Ihr innenpolitischer Sprecher Ralf Briese warnt zudem, ein Verbot der Hundehaltung für ehemalige Straftäter sei "rechtlich nicht haltbar und entspricht nicht dem Gebot der Resozialisierung". Mindestens für Hunde mit mehr als zehn Kilogramm fordern die Grünen einen "kleinen Hundeführerschein, weil die Schuld für Beißvorfälle meistens am oberen Ende der Leine liegt".