Irgendwann um das Jahr 235 nach Christus: Römische Truppen befinden sich auf dem Rückmarsch von einem Feldzug ins nördliche Germanien. Ihr Weg am westlichen Harzrand entlang führt über einen Pass. Doch auf dem „Harzhorn“ haben sich Germanen verschanzt, um die Legionäre zu stoppen.

Oldenrode. So oder ähnlich, meint der Archäologe Günther Moosbauer von der Universität Osnabrück, sei die Ausgangssituation für eine bisher unbekannte Schlacht zwischen Römern und Germanen gewesen, deren Spuren jetzt auf einem Höhenzug nahe Oldenrode im südniedersächsischen Kreis Northeim entdeckt wurden.

Der niedersächsische Landesdenkmalpfleger Henning Haßmann spricht von einer "spektakulären Entdeckung", die überkommene Geschichtsbilder ins Wanken bringt". Bisher sei man nämlich davon ausgegangen, dass die Römer sich nach der verlorenen Varus-Schlacht im Jahr 9 nach Christus hinter den Limes zurückgezogen hatten.

Dass die Forscher auf das unbekannte antike Schlachtfeld gestoßen sind, sei "ein großer Zufall" gewesen, sagte Niedersachsens Wissenschaftsminister Lutz Stratmann (CDU) am Montag bei einer Pressekonferenz in Oldenrode. Zwei Hobby-Archäologen auf der Suche nach den Resten einer mittelalterlichen Burg holten schon im Jahr 2000 ein paar Pfeilspitzen aus dem Waldboden am "Harzhorn" und ein Objekt, das sie nicht einordnen konnten.

Erst als die Männer ihre Funde im August dieses Jahres der Northeimer Kreisarchäologin Petra Lönne präsentierten, stellte sich heraus, dass sie eine römische Hipposandale ausgegraben hatten. Die Legionäre banden diese eiserne Sandale ihren Pferden und Mauleseln als Schutz unter die Hufe. Lönne wurde bei ersten eigenen Grabungen ebenfalls fündig. Sie stieß auf Bruchstücke einer römischen Pionieraxt.

Inzwischen sei das 1500 lange und 300 Meter breite Schlachtfeld mit Metallsonden systematisch abgesucht worden, sagte die Archäologin. Die bisherige Ausbeute: Über 600 Objekte, darunter Katapultspitzen, Schmuck und Verzierungsstücke römischer Uniformen, Zeltheringe, Radnaben und Pferdegeschirr.

Auch die Stellungen der Germanen haben die Forscher entdeckt. Sie befanden sich dort, wo die meisten Pfeil- und Katapultspitzen einschlugen. Anhand der ausgefallenen Sandalennägel können die Forscher sogar bestimmen, welchen Weg die Römer entlang gezogen sind. Fazit von Lönne: Es handele sich um ein "einzigartig gut erhaltenes und ungestörtes römisches Schlachtfeld", wie es kein anderes gebe.

Eine abgegriffene Münze aus der Zeit des Kaisers Commodus (180 - 192) und ein datierbares Messerfutteral sprächen neben anderen Indizien dafür, dass die Schlacht im 3. Jahrhundert stattgefunden hat, sagte der Archäologe Günther Moosbauer. Auch wenn es keine schriftlichen Quellen gebe, könnte sie um 235 stattgefunden haben. In diesem Jahr habe der Kaiser Maximinus Thrax nämlich einen Feldzug nach Norden unternommen, nachdem Germanen den Limes im heutigen Hessen angegriffen hatten.

Wie die Schlacht auf dem "Harzhorn" verlief, meinen die Forscher inzwischen ebenfalls zu wissen: Die römischen Truppen überzogen die Germanen mit einem Hagel von Pfeilen und Geschossen aus ihren High-Tech-Katapulten, bis der Weg über den Pass frei war. Wegen der anhaltenden Bedrohung zogen sie dann allerdings Richtung Leinetal ab und verloren dabei einen Teil ihres Trosses.

Warum die Germanen das Gelände anschließend nicht plünderten, sondern Waffen und Waffenteile liegen ließen, ist allerdings noch unklar. Wissenschaftsminister Stratmann kündigte an, ein internationaler Forscherkreis werde sich mit den offenen Fragen zum Schlachtfeld auf dem "Harzhorn" befassen.