Im Untreue-Prozess gegen die frühere niedersächsische AOK-Vorsitzende Christine Lüer hat einer der beiden mitangeklagten Ex-Verwaltungsräte die Version der Chefin gestützt. In dem Strafverfahren vor dem Hildesheimer Landgericht geht es um die Frage, ob Lüer 60 000 Euro Bonuszahlungen zurecht erhalten hat.

Hildesheim. Ex-Verwaltungsratschef Hans-Jürgen Steinau sagte am Donnerstag, die Entscheidung über die Zahlung sei von ihm und dem anderen Verwaltungsratsvorsitzenden Gerrit Wolter gemeinsam getroffen worden. Beide sitzen zusammen mit Lüer auf der Anklagebank.

Steinau rechtfertigte die Zahlungen an Lüer damit, dass sie allein in den ersten beiden Jahren ihrer Amtszeit 120 Millionen Euro an Kosten für die Krankenkasse eingespart habe. Zudem habe Lüer keine beamtenähnliche Altersversorgung wie Vorstände anderer AOK-Landesverbände bekommen. Auch ihr Grundgehalt von 135 000 Euro sei im Vergleich relativ niedrig gewesen. Dies waren laut Steinau "gravierende Nachteile". Lüer bezog neben dem Grundgehalt eine variable Vergütung von zunächst 50 000 Mark, die später auf 30 000 Euro erhöht wurde. Darüber hinaus erhielt sie 2002 und 2003 insgesamt 60 0000 Euro zusätzliche Bonuszahlungen, von denen sie die Hälfte wieder zurückzahlte. In der niedersächsischen AOK war es offenbar seit Jahren gang und gäbe, dass die beiden Vorsitzenden des Verwaltungsrates allein über Gehalts- und Bonuszahlungen entschieden. Das bestätigten am Donnerstag mehrere Zeugen.

Nach Meinung von Staatsanwaltschaft und niedersächsischem Gesundheitsministerium hätte hierüber allerdings der Verwaltungsrat entscheiden müssen. Wolter vertrat im Verwaltungsrat die Interessen der Arbeitgeber, Steinau die der Arbeitnehmer.

Der Beschluss für die Sonderzahlungen sei bei einem der regelmäßigen Arbeitsessen zwischen den Verwaltungsratsvorsitzenden und Lüer, den sogenannten "Bratkartoffelgesprächen", gefallen. Es sei Wolters Idee gewesen, Lüer mit den Boni für ihre gute Leistung zu belohnen, sagte Steinau: "Verdient hat sie es allemal", habe Wolter damals gesagt.

Die von Lüer selbst angewiesene Zahlung von 45 000 Euro für 2002 war Prüfern des Ministeriums aufgefallen. Wolter hatte sich im November 2004 geweigert, ein nachträglich gefertigtes Protokoll zu unterschreiben. Wenig später wurde die mutmaßliche Affäre öffentlich. Steinau und Wolter traten zurück, Lüer wurde entlassen. Der Prozess wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.