Der große Versuch beim größten Projekt: Wie die Planer Staus in den nächsten vier Jahren vermeiden wollen.

Hamburg/Bremen. Die staugeplagten Autofahrer auf der Autobahn 1 Hamburg-Bremen können hoffen. Am Freitag fällt der Startschuss für den sechsspurigen Ausbau. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) kommt dazu eigens "zur Feier des Baubeginns" auf den Betriebshof der Autobahnmeisterei Hollenstedt. Die ersten bis zu 70 Jahre alten Brücken sind schon abgerissen, auch am kommenden Wochenende gibt es für solche Abbrucharbeiten wieder nächtliche Vollsperrungen der Strecke.

Das ehrgeizige Verfahren mit nur etwas mehr als vier Jahren Bauzeit und bis zu sieben zeitgleichen Baustellenabschnitten von je rund sechs Kilometern hat mit der Finanzierung zu tun: Das Projekt ist das dritte und mit Abstand größte Projekt in Deutschland, bei dem ein privates Konsortium den Bau auf eigene Kosten vornimmt und die Strecke dann auch 30 Jahre lang betreibt - inklusive Winterdienst und Reparaturen. 650 Millionen Euro investiert das Konsortium in den Ausbau und erhält im Gegenzug für 30 Jahre einen bestimmten Anteil an der auf diesem Abschnitt anfallenden Maut für Lastwagen.

Je schneller die A 1 also ihren Ruf als Stauschwerpunkt verliert, umso mehr Lastwagen werden sie anschließend nutzen und damit die Kassen füllen. Im Umkehrschluss gilt aber auch, dass es während der Bauphase nicht zu einer weiteren Rufschädigung und der Abwanderung von Lastwagen auf die A 7 und A 2 Richtung Ruhrgebiet kommen soll. Mit Vertragsbeginn im August 2008 nämlich tickt bereits die Uhr, laufen die30 Jahre.

Solch ein Projekt, sagt Ingo Simon, stellvertretender Projektleiter und seit 32 Jahren im Straßenbau dabei, "hat es verkehrsbautechnisch in Deutschland noch nicht gegeben". Aber die Autofahrer werden auch am eigenen Leibe spüren, ob das Konzept mit dem Sechs-Kilometer-Wechselspiel zwischen Baustelle und anfangs alter und später bereits dreispurig ausgebauter Schnellstraße aufgeht. Mehr als acht Kilometer lang sind Baustellen nie, um die Konzentrationsfähigkeit der Autofahrer nicht zu überfordern. In der Praxis heißt dies: sechs Kilometer Baustelle, sechs Kilometer freie Fahrt, sechs Kilometer Baustelle ... Eine solche Kette an Baustellen hat es noch nie gegeben.

Natürlich ist auch in den kommenden vier Jahren die Niedersächsische Landesbehörde für Straßenbau immer vor Ort, prüft die Einhaltung der Baumaßnahmen. Aber die eigentliche Planung der Bauarbeiten inklusive der alles entscheidenden Zeitachse für 13 Bauabschnitte hat die "Arbeitsgemeinschaft A 1 mobil" gemacht. "Da lernt man, dass man auch loslassen muss", umschreibt einer der staatlichen Planer die Situation. Und das geht runter bis zur Straßenmeisterei, deren Mitarbeiter das Feld räumen müssen.

Ganz muss die Behörde aber nicht loslassen: Die Verkehrsführung während der Baumaßnahmen ist genehmigungspflichtig bis ins Detail: die genaue Stelle, an der Fahrbahnen auf die Gegenstrecke verschwenkt werden, die Breite der Fahrbahnen, die Markierung mit gelben Streifen, die Position jedes Verkehrsschildes und natürlich die Höchstgeschwindigkeiten. Stauwarnanlagen werden vor jedem Bauabschnitt stehen, die Zahl der Autos und ihre Geschwindigkeit messen und in kurze Botschaften ummünzen: Staugefahr oder auch Stau.

Immer in der ersten Phase des Umlenkens des Verkehrs auf nur eine Seite ist die Sache besonders kitzlig für die Autofahrer: Dann muss der Verkehr auf je zwei sehr schmalen Spuren auf der alten Autobahnbreite von nur 11,5 Metern mit besonders hoher Unfallgefahr rollen.