Die Große Koalition gibt ihr größtes Reformprojekt auf, will aber kostenfreie Kitas einführen. Bezahlen sollen die Kommunen.

Kiel. Die schwarz-rote Koalition in Schleswig-Holstein steht nach ihrem Krisengipfel vor einem Scherbenhaufen. Die Opposition warf der Koalition vor, mit der Kreisgebietsreform eines ihrer Kernprojekte beerdigt zu haben. Und die Kommunen sind empört, weil sie die geplante Umstellung auf gebührenfreie Kindergärten in den nächsten Jahren mitbezahlen sollen.

Darum geht es: Im Koalitionsausschuss hatte die SPD einen Stufenplan für Null-Euro-Kitas durchgesetzt. Demnach will die Koalition nicht nur wie versprochen ab Sommer 2009 das dritte Kita-Jahr gebührenfrei stellen, sondern auch das zweite und erste Jahr (ab 2011 bzw. ab 2013). "Wir freuen uns für die Kinder und Familien", sagte SPD-Chef Ralf Stegner. "Die Eltern und ihre Kinder sind die Gewinner", erklärte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen für die CDU.

Die Kinderoffensive - bis zur Landtagswahl sind es nur noch knapp 20 Monate - hat allerdings einen Haken. Das Land kommt nur für das eine bereits abgemachte kostenlose Kita-Jahr auf (etwa 40 Millionen jährlich) und setzt beim Ausbau bis 2013 (weitere 80 Millionen) auf Finanzhilfen des Bundes und insbesondere der Kommunen. Sie sollen etwa durch Bürokratieabbau 15 bis 20 Millionen Euro im Jahr sparen und die Hälfte davon ans Land überweisen. Ziehen die Kommunen mit, könnte die Null-Euro-Kita im Mai 2009 beschlossen werden.

Aus den Kommunen kam allerdings Widerspruch. Grund: Die Kommunen wurden vom Land mehrfach geschröpft und wollen nun nicht noch mal bluten. Was das für die Pläne der Koalition bedeutet, ist offen. Die CDU möchte den Stufenplan nur umsetzen, wenn die Kommunen mitmachen und die Landeskasse es erlaubt. Die SPD will die "Null-Euro-Kita" um fast jeden Preis.

Klar ist, dass die Kommunen ihre Verwaltungskosten nicht so stark senken können wie möglich, weil die Koalition auf Druck der CDU die Kreisreform kippte. Sie war der Schlüssel für eine radikale Kommunalisierung von Landesaufgaben und damit für Bürokratieabbau auf allen Ebenen. Die Koalition lehnte nun jede Form von Zwangsfusionen ab und setzt darauf, dass die Kreise freiwillig kooperieren. SPD-Fraktionschef und Ex-Innenminister Ralf Stegner betonte erneut, dass die Reform für ihn keineswegs beerdigt sei, und stellte einen neuen Anlauf nach 2010 in Aussicht.

In Dithmarschen, das eine Fusion mit Steinburg fürchtete, wurde das Ende der Reform als Sieg gegen Kiel gefeiert. Im Landeshaus hagelte es Kritik. CDU und SPD hätten die große Chance vertan, etwa 100 Millionen Euro Verwaltungskosten zu sparen, beklagten die Grünen. Der Ministerpräsident sei "endgültig vor seinen schwarzen Kreisfürsten in die Knie gegangen". Die FDP erinnerte an den jahrelangen Streit um die Reform und die vielen teuren Gutachten. Der SSW begrüßte die Beerdigung. Die Kreisreform sei längst "ein Synonym für Lachnummer, Zoff, Chaotentum und Konzeptionslosigkeit".