Man kann sich die Situation kaum vorstellen: Die Tante des kleinen Kevin aus Bremen besucht dessen Ziehvater, um den Sohn ihrer toten Schwester zu sehen.

BREMEN. Man kann sich die Situation kaum vorstellen: Die Tante des kleinen Kevin aus Bremen besucht dessen Ziehvater, um den Sohn ihrer toten Schwester zu sehen. Der Mann aber wimmelt die Frau ab, Kevin sei im Kindergarten und nicht zu erreichen. Vermutlich lag die Leiche des zweijährigen Jungen an diesem Tag im Juli 2006 bereits im Kühlschrank der Wohnung. Der Mann habe an diesem Tag nervös und angespannt gewirkt, schilderte Kevins Tante gestern im Prozess gegen den Ziehvater die Situation. Bernd K. ist wegen Totschlags angeklagt. Intensiver hakte die Frau aber nicht nach. Sie hatte nicht den geringsten Verdacht und bei einem früheren Besuch auch keinerlei Anzeichen von Kindesmisshandlungen entdeckt.

Tatsächlich stellten die Gerichtsmediziner, als die Leiche von Kevin im Oktober 2006 von Polizisten gefunden wurde, mehr als 20 Knochenbrüche fest, von denen einer auch zum Tod des Jungen geführt haben soll.

Dass Kevin über lange Zeit auch schon zu Lebzeiten seiner Mutter misshandelt worden ist, davon geht ein anderer Zeuge aus, der gestern gehört wurde. Der Bremer Kinderarzt hatte dem Ziehvater schon im August 2004 auf den Kopf zugesagt, dass das Kind misshandelt wurde. Der Mann aber wiegelte ab: "Der ist ja auch so wild, der ist ja kaum zu bändigen", soll er geantwortet haben. Der Angeklagte erklärte damals die Knochenbrüche an den Beinen des Kleinen mit Unfällen im Gitterbettchen. Und Bernd K. behauptete, eine Nachbarin sei für weitere Verletzungen verantwortlich. Die will er nicht angezeigt haben aus Angst vor ihrem Lebensgefährten.

Zuletzt hatten Mitarbeiter der Jugendbehörde Kevin lebend im April 2006 gesehen. Als Polizisten im Oktober das Kind in Obhut nehmen wollten - das Jugendamt hatte die Vormundschaft -, wies der Ziehvater wortlos auf den Kühlschrank, in dem die Leiche in einem Müllsack lag.