Zwölf Millionen Euro sollen die 20 000 historischen Kunstobjekte auf Schloß Marienburg bei Hannover bringen.

Hannover. Ambiente und Preise sind bestenfalls bürgerlich: 1,50 Euro kosten die Fritten am Imbißwagen auf dem Parkplatz vor Schloß Marienburg bei Hannover. Drinnen geht es vom 5. Oktober an um ganz andere Summen - und zahlen sollen Kunstfreunde und Königstreue. Die Welfen, Deutschlands ältestes Fürstengeschlecht, bringen einen großen Teil ihres Familiensilbers unter den Hammer. Zwölf Millionen als Erlös sind angepeilt.

Um die Schätze ordentlich schätzen zu lassen, schloß Schloß Marienburg gestern seine großen Holztore. Was den Pächter des Imbißwagens nicht freut, aber auch nicht in den Ruin treibt. Es bleiben ihm die Biker. Für sie ist die knapp zwei Kilometer lange Auffahrt zum königlichen Schloß auf dem Schulenburger Berg (173 Meter) mit ihren Serpentinen ein kleines Kurvenparadies direkt am Rande der norddeutschen Tiefebene. Hinzu kommt aus der Sicht des Imbißpächters: Von Mittwoch, 28. September, ist dann ein Andrang zu erwarten, wie ihn das Neogotische Schloß vermutlich noch nie erlebt hat: Es beginnt mit der Pressevorbesichtigung und geht weiter mit der allgemeinen Vorbesichtigung der 20 000 Exponate durch die interessierte Öffentlichkeit.

Von Mittwoch 5. bis Samstag 15. Oktober (Ausnahme Sonntag 9. Oktober) werden bis zu sechs Auktionatoren gleichzeitig die Hämmer schwingen.

Anders ist nicht loszuschlagen, was das Welfengeschlecht in Jahrhunderten in diversen Schlössern und Burgen angesammelt und nach 1945 auf die Marienburg gebracht hat - teilweise mit kräftiger Unterstützung der englischen Besatzungsmacht. Der jeweilige Chef des Welfenhauses steht schließlich, wenn auch unter ferner liefen, auf der Liste der möglichen Thronfolger in England.

Ob nun Gemälde, Möbel, Silber, Uhren, Textilien, Rüstungen oder Porzellan - die 20 000 Objekte werden gebündelt verkauft in rund 5000 Losen. Solch ein Projekt können nur Fachleute stemmen. Genauer: Die deutsche Niederlassung von Sotheby's hat von Prinz Ernst August von Hannover den Auftrag bekommen, die Kunstwerke zu sortieren, notfalls aufzuarbeiten, zu katalogisieren und zu schätzen.

Auftraggeber und Initiator Prinz Ernst August (Jahrgang 1983) ist der älteste Sohn des aktuellen gleichnamigen Chefs des Welfenhauses. Bereits im Jahr 2004 hat der Vater dem Sohn die deutschen Besitzungen übertragen. Der Erlös aus der Auktion soll nun in eine Familienstiftung fließen, deren Ziel die Erhaltung der Kulturgüter der Welfen in Deutschland ist. Aufmöbeln will der Prinz vor allem das Schloß Marienburg, und da gibt es großen Nachholbedarf. Die malerische Burganlage mit 130 Räumen, mächtigem Turm und Kapelle war ein Geschenk des letzten hannoverschen Königs Georg V. an seine Frau, gedacht als Sommerwohnsitz. Aber die Preußen annektierten das Königreich Hannover, ehe der Bau 1867 fertig wurde. Der blinde Ex-König erfuhr von der Fertigstellung im österreichischen Exil. Von der königlichen Familie wurde das Schloß nur unmittelbar nach dem II. Weltkrieg bewohnt.

Aus der Zeit stammt beispielsweise der Linoleumboden im zentralen Gebäudeteil, der Denkmalschützer in den Wahnsinn treiben dürfte. Stromkabel sind unverdeckt auf den holzvertäfelten Wänden verlegt, alte Wasserschäden schlagen an handgemalten Decken immer wieder durch. Mangels Zentralheizung wird der Sommerpalast in jedem Herbst in einen Dornröschenschlaf versetzt, das Schloßmuseum ist nur von Frühjahr bis Herbst geöffnet. Zum vordringlichen Investitionsbedarf dürften auch neue Toiletten gehören und erstmals ein Schloßcafe - derzeit ist der Mann mit der Imbißbude auf dem Parkplatz konkurrenzlos.

Der dreibändige Katalog zur Auktion kommt Mitte August heraus, wird auch als DVD angeboten und listet Preise von über 700 000 Euro für Vasen bis runter zu 50 Euro für einfaches Holzschnitzwerk auf. Alles zusammen ist auch als "Präsentationsbox" mit Büchern und DVD für 60 Euro zuzüglich Porto erhältlich. Zugriff auf die Daten soll es ab Ende August auch übers Internet geben (www.sothebys.com).