Weltpremiere: In Emden und Kiel wird der U-Boot-Bau revolutioniert: U-32 - mit Brennstoffzellen-Antrieb. Das Abendblatt sah es als erste Zeitung von innen.

Emden. Da liegt es an der Pier. U-32. Wie ein lang gestreckter dunkelgrauer Schatten. Beim Anblick dieser Silhouette meldet sich unweigerlich ein beklemmendes Gefühl. Was ist es, dass so viele Menschen an U-Booten fasziniert und zugleich erschauern lässt? Vielleicht das klaustrophobische Empfinden, tief unter der Meeresoberfläche vollkommen von Dunkelheit, Kälte und einem für Menschen lebensfeindlichen Element umgeben zu sein. "U-Boote sind schon etwas Besonderes", sagt Christian Eckel. Der Ingenieur ist Geschäftsführer bei den Nordseewerken in Emden. Dort werden seit 42 Jahren U-Boote gebaut, zurzeit der neue Typ für die Deutsche Marine: die Klasse 212 A. Und dazu gehört U-32.

Von innen haben es bislang nur Fachleute und andere Befugte sehen dürfen. Jetzt durfte als Erstes das Hamburger Abendblatt in das Boot hineinschauen.

U-32 liegt an der Ausrüstungspier der Nordseewerke. Im Innern wuseln Männer umher, ziehen Kabel, installieren Rechner, fahren Systeme hoch. Im Juni soll das Boot erstmals Fahrt aufnehmen. Dann beginnt die Werfterprobung mit der Besatzung.

Noch ist alles blank geputzt. Doch der typische Geruch eines Maschinenraums hängt schon in der Luft: Die Mischung aus Schmieröl, Farbe und Dieselkrafstoff umfängt jeden, der durch das achtere Luk hinabsteigt. Das Gewirr von Rohren, Ventilen, Kabeln und Schaltern lässt sich auch auf den zweiten Blick nicht erfassen. Ganz zu schweigen von jedweder Systematik.

Und doch bemerkt sogleich auch der Laie, der bislang allenfalls über den Film "Das Boot" oder das Museumsboot in Laboe Zugang zu U-Booten hatte, dass vieles anders ist. Gemessen an der beängstigend engen Welt eines U-Bootes aus dem Zweiten Weltkrieg oder den unkomfortablen Booten der Klasse 206 A, mit denen die Marine ausgerüstet ist, wirkt U-32 wie eine riesige Halle.

Sieben Meter Durchmesser hat der Rumpf, 56 Meter misst er in der Länge, vom Kiel bis zur Oberkante des Turms sind es 11,5 Meter. 27 Mann Besatzung verlieren sich geradezu in diesen Dimensionen. Mit 1450 Tonnen verdrängen die neuen Boote beinahe das Dreifache der Klasse 206 A, die nur 4,5 Meter Durchmesser haben und mit nahezu gleicher Besatzungsstärke fahren. Doch wer nun glaubt, die U-Flottille fährt in Zukunft wie auf Kreuzfahrtschiffen zur See, irrt. Der Platz wird vor allem für Technik benötigt. Denn die Klasse 212 A ist ein Quantensprung in der U-Boot-Technologie.

Die Boote können auch ohne Atomantrieb unabhängig von Außenluft unter Wasser fahren. Möglich wird das durch einen revolutionären Antrieb, der zudem besonders leise ist. U-32 und die drei Schwesterschiffe haben den weltweit ersten einsatzfähigen Brennstoffzellenantrieb an Bord.

Das Prinzip ist simpel. Die Brennstoffzelle kehrt die aus dem Schulunterricht bekannte Elektrolyse - Wasser wird mit Hilfe von elektrischer Energie in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt - um: Aus Wasserstoff und Sauerstoff entsteht wieder Wasser, elektrische Energie wird frei und treibt den eigentlichen Fahrmotor an.

Außenluft ist dabei nicht notwendig. Sind beim herkömmlichen dieselelektrischen Antrieb die Batterien eines U-Bootes leer, muss geschnorchelt werden, um sie wieder mit dieselgetriebenen Generatoren aufzuladen. Bei der Brennstoffzelle wird die Dauer der Unterwasserfahrt nur durch die Kapazität der Sauerstofftanks und Wasserstoffmodule an Bord begrenzt. Ein Monat Tauchfahrt? Kein Problem. Zusätzlich ist eine Dieselmaschine zum Antrieb über Wasser und zum Laden der Batterie an Bord.

Der eigentliche Fahrmotor ist ein kreisförmiges Ungetüm von etwa vier Meter Höhe: ein Permasyn-Motor. Dieser Elektromotor, auf den Siemens das Patent hat, ist weniger wartungsanfällig, leiser, kompakter und hat einen höheren Wirkungsgrad als Gleichstrommotoren bisheriger Bauart.

Auf dem von der Antriebsabteilung zum Bug teilt sich der enge Laufgang in ein Ober- und ein Unterdeck. Über eine kleine Leiter nach oben kommen wir in das Herz von U-32: die Operationszentrale mit ergonomischen Sitzen vor (noch) dunklen Bildschirmen. Von hier wird das Boot gefahren, mit Joysticks. Hier werden alle Funktionen überwacht, vom Computer. Und hier befinden sich auch die zwei Sehrohre, Sinnbild eines jeden U-Bootes. Blankpolierte, zylindrische Säulen mit präziser Zeiss-Optik.

Vor der Zentrale liegt der obere Teil des Torpedoraums. Sechs Torpedorohre strecken sich zum Bug. Sie beherbergen im Ernstfall die Hauptwaffe des Bootes, drahtgelenkte Torpedos von 53 cm Durchmesser und bis zu acht Meter Länge. Weitere Torpedos lagern dahinter in Rohren, die sich wie eine Revolvertrommel drehen lassen. Die Torpedos werden nicht mehr mit Pressluft, sondern mit genau berechnetem Wasserdruck aus den Rohren geschossen. Das ist weitaus leiser.

An den Seiten des Torpedoraums liegen die Unterkünfte. Purer Luxus, verglichen mit der bisherigen Unterbringung einer U-Boot-Mannschaft. Jeder hat eine eigene Koje. Das Prinzip der "warmen Koje", bei dem sich der Soldat nach Beendigung seiner Wache in den "Mief" des Vorschläfers legt, gehört auf U-32 der Vergangenheit an.

Die sechs Quadratmeter große Kombüse im unteren Deck ist nach den neuesten Erkenntnissen und Vorschriften eingerichtet. "Die gilt als Großküche", witzelt Reinhold Brenner, der bei den Nordseewerken für Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. "Es zählt nämlich nicht die Größe der Küche, sondern die Zahl derjenigen, die bekocht werden."

Unter der Operationszentrale sind die Rechnermodule untergebracht. Sie sind, wie alle Elemente im Bootsinnern, schockgelagert. Über dem Antriebsmodul sorgt eine gesonderte Schallschutzhaube dafür, dass kaum ein Geräusch nach außen dringt.

Die Außenhülle über der Konstruktion aus nichtmagnetischem Stahl besteht aus glasfaserverstärkten Kunststoffplatten. Sie ist glatt, mit kantenlosen Konturen - alles dient der lautlosen Jagd in der Tiefe und dem Horchen. Denn Aufklärung heißt eine der neuen Aufgaben für U-Boote.

Ein Schwesterboot von U-32 fährt bereits: U-31 ist in der Werfterprobung bei den Howaldtswerken (HDW) in Kiel und wird noch in diesem Jahr an die Flotte übergeben. Die Nordseewerke teilen sich den Bau mit den HDW. In Emden entstehen die achteren Sektionen für alle vier Boote und werden zwei 212er komplett zusammengebaut. Das Konsortium hofft auf einen Anschlussauftrag über vier weitere Boote. Auch andere Marinen haben großes Interesse an der revolutionären Technologie aus Emden und Kiel.

Über die wahre Leistungsfähigkeit der Boote schweigen sich die Erbauer aus. 20 Knoten sollen sie laufen, heißt es. 300 Meter tief tauchen, heißt es. Und kaum zu orten sein, heißt es. Christian Eckel lacht: "Das sind Zahlen, die wir nicht bestätigen. Doch es gibt immer Daten, die wir veröffentlichen, und solche, die wir für uns behalten."