Die neue Heimat empfängt sie mit strahlendem Sonnenschein, aber auch mit einem bitterkalten Wind auf dem Flughafenvorfeld: Es ist 15.15 Uhr, als...

Hannover. Die neue Heimat empfängt sie mit strahlendem Sonnenschein, aber auch mit einem bitterkalten Wind auf dem Flughafenvorfeld: Es ist 15.15 Uhr, als gestern Nachmittag die erste vierköpfige Familie das Flugzeug aus Damaskus verlässt. Das in dicke Decken gehüllte Baby ist krank. Danach fahren große Busse vor, quellen weitere 118 Flüchtlinge aus der Maschine, steigen die Gangway hinunter.

Und auf einmal bekommt die bürokratisch-einschränkende Formulierung der Bundesregierung, man werde nur besonders schutzbedürftigen Personen aus dem Irak ein Obdach bieten, ein Gesicht - viele Gesichter vor allem von Kindern aller Altersstufen.

Gut ausgestattet mit Winterkleidung, viele Puppe oder Teddy fest im Arm, schauen sie sich um, ängstlich bis neugierig, einige lächeln, winken ganz vorsichtig. Auch der geschäftige Lärm des Flughafens Langenhagen kann nicht kaschieren, dass dies hier kein gewöhnlicher Flug ist, sondern diese Landung die Chance auf einen Neuanfang bedeutet, nach einem in vielen Fällen jahrelangen Exil in Syrien unter meist unerträglichen Bedingungen für die Irakflüchtlinge. Zu der ersten Gruppe der Iraker gehören 31 Familien, bestehend aus 122 Menschen, 35 von ihnen sind Kinder und Jugendliche. Die meisten von ihnen sind Christen. 2500 sollen es bis Jahresende insgesamt werden. Sie werden auf die Bundesländer verteilt, Hamburg wird 63 Flüchtlinge aufnehmen.

Auf einer Brücke harren einige andere Exiliraker schon lange aus, und immer wieder gibt es jetzt plötzlich laute fast übersteigert schrille Rufe - wenn wieder jemand aus dem Flugzeug tritt. Sie haben aus der Ferne Mutter, Vater oder Sohn auf der Gangway erkannt, die bleiben stehen, blinzeln in die grelle Sonne, Tränen fließen.

Schon früh am Morgen ist Hussan Nafea Abdallah in Konstanz aufgebrochen, um seine Mutter, Schwester und eine Tante in Deutschland willkommen zu heißen. Seit drei Wochen weiß er, dass sie mit dem ersten Flugzeug in Hannover eintreffen werden. "Ich habe sie seit über zweieinhalb Jahren nicht gesehen", erzählt er aufgeregt. Terror hat sie aus ihrer Heimatstadt Bagdad vertrieben. "Mein Bruder und mein Vater wurden von Terroristen getötet, das war katastrophal."

Die Mütter, die ihre Kinder Richtung Flughafenbus schubsen, weil sie in beiden Händen Taschen und Tüten halten, werden das Gefühl von Freiheit wohl erst später spüren. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ist für viele Menschenrechtsgruppen ein rotes Tuch, weil er in Asylfragen stets zu den Hardlinern gehört. Heute aber ringt er sich zu der Aussage durch, dass auch er davon ausgehe, "dass die Iraker auf Dauer hierbleiben". Tatsächlich sind die Aufenthaltsgenehmigungen der Kriegsflüchtlinge rein formal auf drei Jahre begrenzt. Schünemann steht den 122 Flüchtlingen dann direkt gegenüber, in der kargen Ankunftshalle D, die sich gut abschirmen lässt und die den britischen Streitkräften in Deutschland über Jahre als Absprungbasis für ihren Irakeinsatz diente. Der Innenminister holt tief Luft und heißt die Familien herzlich willkommen: "Für Sie beginnt heute ein neuer Lebensabschnitt." Und auch der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Peter Altmaier (CDU), sagt einen Satz, der kaum gemünzt sein kann auf Menschen mit begrenztem Aufenthaltsrecht: "Wir möchten, dass Sie zu stolzen und glücklichen Einwohnern dieses Landes werden." Damit das gelingt, haben beide Politiker den Flüchtlingen eine Botschaft mitgebracht: "Lernen sie rasch Deutsch."

Kaum zehn Minuten dauert die Begrüßung, dann geht die kleine Völkerwanderung wieder los, hin zu den Bussen und dann ins Grenzdurchgangslager Friedland, wo auch sie die ersten 14 Tage verbringen werden. Schünemann sagte ihnen, dass dieses Lager bereits für Millionen von Menschen das Tor zur Freiheit geworden ist. Das solle auch für die Irakflüchtlinge gelten.