Tempolimits sollen auf großen Abschnitten kontrolliert werden. Idee löst massive Proteste aus.
Goslar. Radarfallen zwingen Autofahrer auf die Bremse. Kurzfristig. Unfallforscher wissen, dass die disziplinierende Wirkung meist nur wenige Hundert Meter anhält. Weil aber zu hohe Geschwindigkeit eine der häufigsten Unfallursachen ist, wird der Verkehrsgerichtstag in Goslar Ende Januar über die ständige Überwachung ganzer Straßenabschnitte diskutieren - trotz massiver Bedenken von Automobilklubs wie von Datenschützern, die gegen Vorratsdatenspeicherung ohne konkreten Verdacht Sturm laufen.
"Section control" (Abschnittkontrolle) heißt das System, das in Österreich bereits angewendet wird. Mit Erfolg. Nachdem die Überwachung im Kaisermühlentunnel der Donauufer-Autobahn in Wien im September 2003 startete, hat es dort keinen tödlichen Verkehrsunfall mehr gegeben. In dem knapp sieben Kilometer langen Tunnel gilt Tempo 80, jedes Fahrzeug wird bei Ein- und Ausfahrt gefilmt, der Computer speichert nicht nur das Nummernschild, sondern berechnet für jedes Fahrzeug die Durchschnittsgeschwindigkeit.
Vorteil für Autofahrer, die nur kurzzeitig und eher aus Versehen zu schnell waren: Auf der langen Strecke fällt die Überschreitung nicht ins Gewicht. Bei gravierenden Überschreitungen der Durchschnittsgeschwindigkeit dagegen stellt sich für die Gerichte die Frage der vorsätzlichen Begehungsweise mit erheblich schärferen Bußgeldern und Strafen.
Auf dem Verkehrsgerichtstag werden heiße Diskussionen erwartet. Dabei geht es vor allem darum, ob das System durch Gesetzesänderungen mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vereinbar gemacht werden kann, mit dem die Richter im vergangenen Jahr die Vorratshaltung von Daten weitgehend verboten hatten. Hintergrund: Beim Einsatz der Kameras wird der Grundsatz verletzt, dass niemand ohne konkreten Anfangsverdacht wie ein Verdächtiger behandelt werden darf.
Ob die vom Veranstalter des Verkehrsgerichtstags, der Deutschen Akademie für Verkehrswissenschaft, angekündigten "Lösungsmöglichkeiten" greifen, muss sich zeigen. Bei den Verkehrsbehörden zumindest gibt es angesichts der positiven Erfahrungen in Österreich durchaus Interesse. "Wir stehen dem aufgeschlossen gegenüber", sagt ein Sprecher des niedersächsischen Verkehrsministeriums auf Anfrage des Abendblatts. Schließlich gelte es, alle Maßnahmen gründlich zu prüfen, die zur Senkung von Unfallzahlen beitragen können. Als "geeignetes Instrument" für die Entschärfung von Unfallschwerpunkten sieht auch das Kieler Verkehrsministerium "Section control", hält aber den Einsatz für rechtlich nicht zulässig. Schleswig-Holstein hält sich auch deshalb so stark zurück, weil es 2007 mit dem automatischen Ablesen von Autokennzeichen in Karlsruhe eine Bauchlandung gemacht hat.
Klar ist auch, dass "Section control" nicht nur bei vielen Autofahrern, sondern auch bei Datenschutzbeauftragten auf Widerstand stößt, weil sie ähnlich wie bei den Maut-Brücken auf den Autobahnen fürchten, die einmal erhobenen Daten könnten auch für andere Zwecke, etwa die Fahndung nach Straftätern, genutzt werden.