Größte Bombenräumung in Osnabrück. 15 000 Menschen mussten Wohnungen und Krankenhäuser verlassen.

Osnabrück. Vier Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg haben gestern in Osnabrück die größte Evakuierungsaktion der Stadtgeschichte verursacht. Rund 15 000 Bewohner mussten morgens ihre Häuser in den Stadtteilen Westerberg und Weststadt verlassen. Außerdem wurden zwei Krankenhäuser und ein Altenheim geräumt.

Zunächst konnten zwei der britischen Fünf-Zentner-Bomben von Spezialisten entschärft werden. Als Erstes machte der Kampfmittelräumdienst gegen 12 Uhr einen Blindgänger in der Nähe der Bahnlinie Osnabrück- Bramsche unschädlich, um den Eisenbahnverkehr nicht länger als notwendig zu blockieren.

Die beiden anderen 250-Kilo-Bomben wurden am frühen Abend kontrolliert gesprengt, weil ihre Bergung zu gefährlich schien. Sie verfügten über einen chemischen Zünder und konnten deswegen nicht abtransportiert werden. Zur Milderung der Explosionsfolgen waren sie mit Sandsäcken und Strohballen abgedeckt worden.

Von dem Winterwetter sah sich Sprengmeister Thomas Gesk in seiner Arbeit nicht beeinträchtigt. "Ich zittere nur vor Kälte", scherzte er morgens, wenige Stunden vor den eigentlichen Entschärfungsarbeiten. "Man ist nervös, aber Angst hat man nicht", sagte der Experte des niedersächsischen Kampfmittelräumdienstes. Seit 1990 mache er diesen Job. Jeder Fall sei anders. Wie er genau verfahren muss, sehe er ohnehin erst, wenn die Blindgänger ausgegraben vor ihm liegen. Dann erst kennt er den Bombentyp und kann den Sprengmechanismus identifizieren. Nach Möglichkeit sollten die Bomben an Ort und Stelle unschädlich gemacht werden. In zwei Fällen klappte das gestern nicht. Die Bomben lagen in zwei und fünf Meter Tiefe unter einer Siedlung, in der bis vor Kurzem britische Soldaten gelebt hatten. Im Moment stehen fast alle Gebäude leer. Eine der beiden Bomben befand sich sogar unter einem Haus. In den 1960er-Jahren habe man einfach "drauflosgebaut", ohne sich um Kriegsblindgänger zu kümmern, sagte Gesk.

Bei der Evakuierung der Osnabrücker Stadtteile waren rund 1600 Kräfte im Einsatz - von Stadtverwaltung, Polizei, Feuerwehr und Hilfsdiensten. Die Polizei forderte auch ihre Reiterstaffel aus Hannover an.

Aber nur 130 Menschen nutzten die öffentlichen Säle, die für ihren Aufenthalt angeboten wurden. Eine war die 86-jährige Edith Lapadadu. Der Zweite Weltkrieg hatte sie an diesem Tag wieder vertrieben - wenn auch nur ein bisschen. In der Nähe ihrer Wohnung waren die vier Weltkriegsblindgänger gefunden worden. "Teils weckt das Erinnerungen, ja", sagte die aus Pommern stammende alte Dame, die es sich aber nicht nehmen lassen wollte, trotz Evakuierung und trotz Schneefalls den Gottesdienst in einer nahe gelegenen Kirche zu besuchen. Für den Tag war sie gemeinsam mit ihrer Familie in einem Gymnasium untergebracht. Die Aktion war rechtzeitig angekündigt worden, so dass sich die meisten Betroffenen etwas vorgenommen hatten.

Im Jahr 2000 hatte der niedersächsische Kampfmittelräumdienst den Auftrag der Stadt bekommen, in Osnabrück planmäßig nach Blindgängern zu suchen, erzählt Sprengmeister Gesk. "Im Schnitt sind wir jedes Jahr drei Monate hier." In Niedersachsen seien vor allem Hannover, Braunschweig und Osnabrück sehr stark bombardiert worden. Der Bahnknotenpunkt und das Kabelmetallwerk seien in Osnabrück kriegswichtige Ziele gewesen.