Seit zwei Jahren steht er in Italien vor Gericht. Am Montag ist wieder Termin. Ihm drohen zwölf Jahre Haft.

Lübeck. Er war Kapitän des deutschen Rettungsschiffs "Cap Anamur" und ist seit zwei Jahren ein Fall für die italienische Justiz: Stefan Schmidt (67), angeklagt der "Beihilfe zur illegalen Einreise in einem besonders schweren Fall". Auslöser war die Rettung von 37 afrikanischen Bootsflüchtlingen vor dem Tod - eine Aktion, die mit ihren Folgen 2004 für weltweites Aufsehen sorgte.

Wird Schmidt verurteilt, drohen ihm zwölf Jahre Haft.

Einmal im Monat ist Prozesstag in Agrigent auf Sizilien. Am Montag ist es wieder so weit. Mit Schmidt sind sein damaliger Erster Offizier Vladimir Daschkewitsch und der ehemalige Chef der Hilfsorganisation "Cap Anamur", Elias Bierdel, angeklagt. "Wir hoffen, dass es jetzt endlich einen Termin für die Plädoyers gibt", sagt Schmidt. 60 Zeugen haben ausgesagt. "Der Staatsanwalt hat mehr als einen halben Meter Akten gesammelt. Unsere italienischen Anwälte haben nichts gefunden, das gegen uns spricht", sagt Schmidt.

Keiner der Anwürfe, vor allem nicht der, die Angeklagten hätten sich als Mittelmeer-Schleuser bereichern wollen, hat sich erhärtet. Dafür seien Zeugen der Anklage bisweilen im dünnen Eis ihrer Aussagen eingebrochen. "Aber dies ist kein juristischer, sondern ein politischer Prozess", sagt Schmidt. "Da weiß man nie, was passiert."

Stefan Schmidt, Dozent für Schiffssicherheit an der Schleswig-Holsteinischen Seemannsschule in Travemünde, Vater zweier erwachsener Söhne, geschieden, ist ein politischer Mensch geworden. Als die "Cap Anamur" - von der gleichnamigen Hilfsorganisation kurz zuvor gekauft und für 1,8 Millionen Euro umgebaut - zu ihrer ersten Hilfsfahrt aus ihrem Heimathafen Lübeck aufbricht, da ist er noch "einfach nur Kapitän". Ziele der Hilfsfahrt sind die afrikanische Küste und der Irak.

Zwischen Lampedusa und Malta trifft die "Cap Anamur" auf 37 teils entkräftete, dicht in ein Schlauchboot gedrängte Männer. Sie haben weder Trinkwasser noch Nahrung. Der Motor qualmt, das Boot verliert Luft, droht zu kentern.

"Das Einzige, was sie bei sich hatten, war ein Zettel mit Gebeten drauf", sagt Schmidt. Selbst mit funktionierendem Motor hätte das Boot drei Tage bis zur nächsten Küste gebraucht.

Als Schmidt beschließt, die Männer an Bord zu nehmen, rettet er sie vor dem Tod. Schmidt will die Männer in den nächsten Hafen bringen und wieder auslaufen, "wie es üblich ist". Stattdessen folgen zwei zermürbende Wochen.

Eine erteilte Einfahrtgenehmigung wird ohne Begründung zurückgezogen, tagelang umkreist Militär das Rettungsschiff. An Bord liegen die Nerven blank. "Einer der Flüchtlinge wollte sich ins Wasser stürzen", sagt Schmidt, "etliche verweigerten das Essen, einige brachen zusammen." Schmidt, in Sorge um die Sicherheit von Schiff und Menschen, sucht Hilfe beim deutschen Botschafter. Vergebens. Als er droht, einen internationalen Notfall aus der Sache zu machen, darf er in Porto Empedocle einlaufen.

Flüchtlinge und Besatzung jubeln; an Land allerdings kommen alle Afrikaner bis auf einen in Abschiebehaft, weil sie angegeben hatten, aus dem sudanesischen Krisengebiet Darfur zu stammen, tatsächlich aber aus Nigeria, Niger und Ghana kamen. Die "Cap Anamur" wird beschlagnahmt. Gemeinsam hatten die damaligen Innenminister Otto Schily und Bepe Pisanu erklärt, es gelte, einen "gefährlichen Präzedenzfall" zu verhindern.

Schmidt, Bierdel und Daschkewitsch kommen nach fünf Tagen frei - und stellen fest, dass sie die Stimmung in Deutschland gegen sich haben: Schmidt und Bierdel hätten die Rettung als Medienspektakel inszeniert, hätten sich daran bereichern wollen. "Blödsinn", sagt er und verweist darauf, dass die Hilfsorganisation nun für die Anwaltskosten aufkommt. "Dieses Geld könnte anderswo Menschen retten."

Die "Cap Anamur", erst Monate nach der Beschlagnahme wieder freigegeben, befährt heute als Containerschiff "Baltic Bettina" die Ostsee.

Schmidt wurde mit dem Menschenrechtspreis der Stiftung ProAsyl ausgezeichnet. "Dabei habe ich nur meine Pflicht getan", sagt er. "Von Anfang bis Ende." Eine Wahl hat er nicht gesehen. "Hätte ich die Männer nicht gerettet, wäre das unterlassene Hilfeleistung gewesen."