Harlesiel (dpa/lni). Wind und Wellen haben in den vergangenen Monaten einige Schäden an Niedersachsens Küste hinterlassen. Nun will das Land kräftig investieren - auch zur Vorsorge für künftige Jahre.
Nach einer turbulenten Sturmflutsaison will Niedersachsen zusammen mit dem Bund in diesem Jahr rund 80 Millionen Euro in den Küstenschutz investieren. Umweltminister Christian Meyer sprach bei am Freitag im ostfriesischen Harlesiel (Landkreis Wittmund) von einer Rekordsumme, die in diesem Jahr dafür zur Verfügung stehe. „Die Deiche an der Küste haben gehalten. Auf den Inseln haben wir Schäden ungefähr von zehn Millionen Euro“, sagte der Grünen-Politiker. Der Minister betonte, Küstenschutz sei Daseinsvorsorge. Durch die Deiche und Dünen an der Küste und auf den Inseln würden allein in Niedersachsen rund 1,1 Millionen Menschen geschützt.
Im vergangenen Jahr standen aus gemeinsamen Mitteln von Bund und Land noch rund 78,9 Millionen Euro für den Küstenschutz zur Verfügung. Verwendet werden sollen die Gelder in diesem Jahr für mehr als 100 Maßnahmen, darunter sind etwa Strandaufschüttungen auf Inseln, die Erhöhung von Deichen für einen erwarteten Meeresspiegelanstieg und die Ertüchtigung von Schöpfwerken sowie die Renaturierung von Salzwiesen.
Küstenschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern. Die Investitionskosten verteilen sich zu 70 Prozent auf den Bund und zu 30 Prozent auf das jeweilige Land. Meyer appellierte auch an den Bund, dauerhaft mehr Geld dafür bereit zustellen. Die Rekordsumme, die Land und Bund nun zusammen aufbrächten, werde dauerhaft nicht reichen.
Neben der Ausbesserung von Schäden infolge der vergangenen Sturmflutsaison will das Land die Küste auch für die Folgen der globalen Klimaerwärmung rüsten. Ein beschleunigter Meeresspiegelanstieg werde den Handlungsdruck künftig noch erhöhen, zeigte sich der Umweltminister überzeugt. „Wir bereiten uns auf einen höheren Meeresspiegel vor.“ Aktuelle Prognosen des Weltklimarates IPCC gingen von einem Meeresspiegelanstieg von 60 bis 110 Zentimetern bis zum Ende dieses Jahrhunderts, also bis zum Jahr 2100 aus. Viele Deiche der insgesamt mehr als 610 Kilometer langen Deichlinie in Niedersachsen müssten deshalb in den kommenden Jahren noch erhöht werden, sagte Meyer.
Ein Überblick über die Baustellen im niedersächsischen Küstenschutz:
Deicherhöhungen auf dem Festland
Insgesamt rund 51,5 Millionen Euro sollen in Bauprojekte der 22 Hauptdeichverbände zwischen Dollart und Elbe fließen. Eine Maßnahme ist die bevorstehende Deicherhöhung nahe dem Hafen Harlesiel, die sich der Umweltminister am Freitag ansah. Auch in der Krummhörn (Landkreis Aurich) werden Deiche in diesem Jahr weiter erhöht. Weitere Baustellen gibt es am Jadebusen, an der Unterelbe, in der Wesermarsch und im Cuxhavener Land. Zwischen Wilhelmshaven und Hooksiel in Friesland etwa wird das Deckwerk eines Deiches weiter erneuert. In Sahlenburg bei Cuxhaven soll laut NLWKN in diesem Jahr an einer Stelle ein Deich komplett neu gebaut werden - bislang gibt es dort nur eine Düne.
Dünenschutz auf Ostfriesischen Inseln
Auf den Ostfriesischen Inseln ging infolge der Sturmflutsaison mit rund einem Dutzend leichten und mindestens einer schweren Sturmflut kurz vor Weihnachten teils viel Sand verloren. Der zuständige Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) sieht deshalb erhöhten Handlungsbedarf, um den Schutz der Inseln wiederherzustellen. Dafür stehen in diesem Jahr rund 15,7 Millionen Euro bereit.
Vor allem zwei Inseln stehen dabei im Fokus: Auf Langeoog wird nach Sandverlusten an dem zuletzt 2022 aufgespülten, seeseitigen Verschleißkörper vor der Schutzdüne am sogenannten Pirolatal neuer Sand benötigt. Die Düne selbst schützt den Ort und auch das Gebiet für die Trinkwassergewinnung auf der Insel. Auf zwei Kilometern Länge sollen dort in den kommenden Monaten rund 450.000 Kubikmeter Sand neu aufgespült werden, um die Düne zu schützen. Das entspricht laut NLWKN rund 4,5 Millionen Schubkarren Sand.
Auch auf Wangerooge soll Sand aufgefahren werden, um bestehende Dünen zu sichern. An der sogenannten Harlehörndüne fehlen auf einer Länge von einem Kilometer knapp 90.000 Kubikmeter Sand. Auch an den Nordostdünen muss Sand wieder neu aufgebaut werden.
Salzwiesen werden renaturiert
An einigen Stellen am Festland werden im Zuge der Küstenschutzmaßnahmen auch Salzwiesen vor den Deichen renaturiert. Salzwiesen dienen etwa als Pufferzone zwischen dem Meer und dem Festland, in der bei Hochwasser der Wellenschlag abgeschwächt wird. Sie sind aber auch für den Klimaschutz hilfreich, da die Pflanzen klimaschädliches CO2 binden. Der Bodenaushub wird dabei für den Deichbau verwendet. Auf diese Weise könne Klima- und Küstenschutz verbunden werden, sagte Meyer.
Generalplan für Siel- und Schöpfwerke
Eine weitere Baustelle neben der Daueraufgabe Küstenschutz zeichnet sich auch bei der Ertüchtigung der vorhandenen Siel- und Schöpfwerke ab. Viele dieser Bauwerke für die Binnenentwässerung sind schon Jahrzehnte alt. Siel- und Entwässerungsverbände entlang der Küste drängen schon seit Längerem auf Hilfen für dringend notwendige Investitionen. Nun soll ein Generalplan für die Siel- und Schöpfwerke erarbeitet werden.
Fachkräftemangel bei Ingenieuren
So gibt es viele Aufgaben für den Landesbetrieb, doch das Personal, um Maßnahmen zu planen und umzusetzen, ist knapp. Der Fachkräftemangel ist laut NLWKN vor allem im Ingenieurbereich spürbar. Der Landesbetrieb will deshalb nach eigenen Angaben auch mit Stipendien Anreize für die Studiengänge Bau- und Umweltingenieurwesen schaffen.