Berlin/Hannover/Verden. Eine lange gesuchte frühere RAF-Terroristin ist gefasst. Damit ist die Arbeit der Kripo lange nicht am Ende. Waffen und Spuren werden untersucht. Und zwei Komplizen verstecken sich weiterhin.
Eine mutmaßliche Ex-Terroristin ist gefasst, die Fahndung nach ihren beiden Komplizen aus der RAF geht mit Hochdruck weiter. Vier Tage nach der Festnahme der früheren RAF-Terroristin Daniela Klette hat das Bundeskriminalamt (BKA) die Bevölkerung am Freitag um Unterstützung bei der Suche nach den beiden Männern gebeten. „Nach Festnahme in Berlin Fahndung nach 2 mutmaßlichen ehemaligen Terroristen der RAF“, schrieb das BKA auf dem Internetportal X (früher Twitter). BKA und LKA Niedersachsen „bitten um Mithilfe“. Die Männer könnten sich auch in Berlin aufhalten, vermutet das Landeskriminalamt Niedersachsen. Trotz der Waffenfunde bei Klette (65) bestehe für Berlin aber „keine konkrete Gefährdungslage“.
Ernst-Volker Staub (69) und Burkhard Garweg (55) stehen auf der „Europe's Most Wanted-Liste“ von Europol, mit deren Hilfe nach Schwerstkriminellen und Terroristen gesucht wird, ganz oben. Unklar blieb, ob alle drei bis zur Festnahme Klettes zusammen waren. Wahrscheinlich sei eher, dass alle ihr eigenes Leben lebten und für Straftaten zusammengekommen seien, sagte ein Sprecher der zuständigen Staatsanwaltschaft Verden, südlich von Bremen. Man wisse auch noch nicht, ob möglicherweise bereits ein neuer Raubüberfall geplant war, weil die Waffen in der Wohnung lagerten statt etwa in einem abgelegenen Depot.
Zugleich untersuchte die Kriminalpolizei weiter die Wohnung von Klette in Berlin-Kreuzberg, wo sie am Montagabend gefasst worden war, sowie die Waffen und weitere Gegenstände gefunden wurden. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte unterdessen mehr Möglichkeiten bei der Verwendung von Gesichtserkennungs-Programmen.
Auf den Fahndungsseiten von BKA, Europol und LKA finden sich umfangreiche Informationen zu Staub und Garweg. Das BKA betont: „Die Ermittlungsbehörden wenden sich gezielt auch an die Familien der Beschuldigten, deren Freundeskreis und ehemalige RAF-Unterstützer.“ Hinweise könnten vertraulich über ein geschütztes Internetsystem abgegeben werden. Laut Staatsanwaltschaft gehen nach wie vor Hinweise aus der Bevölkerung ein. Darunter seien auch anonyme oder Fake-Nachrichten. „Das muss alles gefiltert werden.“
Das BKA warnt: „Bitte nicht an die gesuchten Personen herantreten, sie könnten bewaffnet sein!“ Auch bei der europäischen Polizeibehörde Europol heißt es ausdrücklich: „Gefährlich.“ Hinzugefügt ist: „Für Hinweise, die zur Ergreifung der Beschuldigten führen, ist von verschiedenen Stellen eine Belohnung in Höhe von insgesamt mindestens 150.000 Euro ausgesetzt worden.“
In Klettes Wohnung fand die Polizei eine Panzerfaustgranate, ein Kalaschnikow-Sturmgewehr, eine Maschinenpistole, eine Pistole sowie Munition. Den Ermittlern zufolge liegt die Vermutung nahe, dass auch die beiden gesuchten Komplizen Staub und Garweg Waffen und Sprengstoff gebunkert haben könnten. Von ihren Wohnungen könnte „ein Gefährdungspotenzial für die Bevölkerung ausgehen“, hieß es daher bereits am Donnerstag.
Die drei mutmaßlichen früheren RAF-Terroristen sollen zwischen 1999 und 2016 Raubüberfälle auf Geldtransporter und Supermärkte in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verübt haben. Ihnen wird dabei auch versuchter Mord vorgeworfen, weil bei Überfällen geschossen wurde. Zudem bestehen Haftbefehle wegen des Verdachts der Beteiligung an Terroranschlägen. Klette, die in Untersuchungshaft sitzt, schweige zu den Vorwürfen, so die Staatsanwaltschaft.
Garweg, Klette und Staub gehören zur sogenannten dritten Generation der linksextremistischen Vereinigung Rote Armee Fraktion (RAF). In ihrer aktiven Zeit wurden der damalige Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen (1989) und Treuhand-Chef Detlev Karsten Rohwedder (1991) ermordet sowie Herrhausens Fahrer schwer verletzt.
In Klettes Wohnung in Kreuzberg arbeiteten auch am Freitag wieder vermummte Kriminalpolizisten. „Entschärfer Berlin“ stand auf einem Abzeichen. „Sehr intensiv und sehr behutsam“ werde die Wohnung von Experten durchsucht, so der Sprecher der Staatsanwaltschaft. „Wir gehen da nicht rein wie die Axt im Walde.“ Auch packe man Waffen „nicht einfach in die Tasche“.
Das solle auch erklären, warum die Beamten erst Tage nach der Festnahme Schusswaffen und eine Panzerfaustgranate fanden - nachdem am Dienstag zunächst nur von Munition die Rede gewesen war. An den gefundenen Waffen würden im Labor Spuren gesucht - Fingerabdrücke oder DNA-Spuren, hieß es. Die Auswertung dauere noch an: „Wir haben umfangreiches Material sichergestellt.“
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte mehr Möglichkeiten bei der Verwendung von Gesichtserkennungs-Programmen. „Dass die Polizei im Zeitalter von Künstlicher Intelligenz, Automatisierung und Digitalisierung solch hilfreiche Software nicht nutzen darf“, sei nicht mehr vermittelbar, kritisierte der GdP-Vorsitzende Jochen Kopelke. Schuld an der späten Festnahme Klettes könnten auch solche Verbote sein. Die Nutzung von Gesichtserkennung sei nur „in einem sehr eng gesetztem juristischen Rahmen möglich, weswegen diese keine breite Verwendung findet“.
Die Polizei hatte jahrzehntelang nach Klette gesucht und erhielt dann nach eigenen Angaben im November 2023 einen „Hinweis aus der Bevölkerung“. Sie fahndete nach ihr, beobachtete sie und fasste sie schließlich am Montag. Parallel hatte ein investigativer kanadischer Journalist bei einer Recherche im Herbst mit einem Gesichtserkennungs-Programm im Internet ältere Fotos von Klette und ihren Tanzgruppen in Berlin gefunden. Niedersachsens Innenministerin Daniela Behrens (SPD) wird im „Spiegel“ dazu zitiert: „Eine Gesichtserkennungssoftware ist in der Zielfahndung nach dem Hinweis aus November 2023 nach Daniela Klette nicht eingesetzt worden.“