Hannover (dpa/lni). Das Hochwasser hatte sich rund um den Jahreswechsel wochenlang über weite Teile Niedersachsens erstreckt. Die Landesregierung hatte Millionenhilfen bereits angekündigt, nun folgte der nächste Schritt.
Niedersachsens Landtag hat einen Nachtragshaushalt in Höhe von rund 110 Millionen Euro für die Hochwasser-Hilfen beschlossen. Die beiden Regierungsfraktionen SPD und Grüne sowie die Oppositionsfraktion CDU stimmten am Mittwoch dafür, die AfD enthielt sich. Es sei wichtig, schnellstmöglich Handlungsfähigkeit zu zeigen, sagte Kultusministerin Julia Willie Hamburg in Vertretung für den erkrankten Finanzminister Gerald Heere (beide Grüne).
Wofür das Geld verwendet werden soll
65 Millionen sind laut Finanzministerium für die Beseitigung von Schäden an der öffentlichen Infrastruktur geplant, etwa an Straßen. Mit der Summe soll ebenfalls der Hochwasser- und Katastrophenschutz vorangebracht werden.
Jeweils 20 Millionen Euro sind für die schnelle Hilfe für geschädigte Privatleute und Unternehmen einschließlich der Landwirtschaft sowie für die Erstattung von Einsatzkosten der Hilfskräfte vorgesehen.
Weitere Millionen sind etwa für die Beschaffung neuer Sandsäcke geplant. Das Ministerium betonte, dass die Aufteilung des Geldes vorläufig sei. Eine genaue Schadensaufnahme geschehe im Innenministerium in enger Abstimmung mit dem Umweltministerium.
Das Hochwasser hatte sich rund um den Jahreswechsel wochenlang über weite Teile Niedersachsens erstreckt. Zahlreiche Pegelstände lagen einige Tage über der höchsten Meldestufe, Hunderte Bewohnerinnen und Bewohner mussten zwischenzeitlich ihre Häuser verlassen.
Ausnahme der Schuldenbremse nicht notwendig
Anfang Januar hatte die Landesregierung Soforthilfen von bis zu zehn Millionen Euro für besonders vom Hochwasser betroffene Privathaushalte angekündigt. Damit sollten etwa Notlagen bei der Unterkunft oder der Wiederbeschaffung von Hausrat schnell und unbürokratisch überbrückt werden. Auch diese Summe ist den Angaben zufolge im Nachtragshaushalt enthalten.
Für den Nachtragshaushalt ist keine Kreditaufnahme notwendig. Finanziert wird er laut Ministerium über eine Entnahme aus der Konjunkturbereinigungsrücklage. Eine Ausnahme der Schuldenbremse ist damit nicht notwendig.
Rufe nach mehr Geld des Bundes
Finanzminister Heere sagte laut Mitteilung, dass er zur Bewältigung der Kosten auch den Bund in der Verantwortung sehe. „Uns ist schmerzlich bewusst, dass wir viele Schäden des Hochwassers, die einzelne Haushalte und Betriebe betreffen, mit den Möglichkeiten des Landes nur in einem bestimmten Umfang mildern können. Eine konkrete Unterstützung des Bundes wäre angemessen“, sagte der Minister.
Weil fordert Pflichtversicherung
Im Zusammenhang mit dem jüngsten Hochwasser forderte Ministerpräsident Stephan Weil erneut eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. „Eine bundesweite Regelung für Elementarschäden ist jetzt überfällig“, sagte der SPD-Politiker. Dieses Problem sei bereits wiederholt zwischen dem Bundeskanzler und den Regierungschefs der Länder besprochen worden.
Geschehen sei bislang aber nichts, kritisierte Weil. In den Ländern habe wohl niemand Verständnis dafür, dass Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) diese Frage seit vielen Monaten verschiebe und verzögere, sagte der Ministerpräsident.
Mit Elementarschäden sind Schäden gemeint, die durch das Wirken der Natur hervorgerufen werden. Dazu zählen etwa Überschwemmungen und Erdbeben. Weil betonte, dieses Hochwasser sei nicht das letzte Ereignis gewesen, der Klimawandel schreite voran. „Wenn der Staat jedes Mal bei solchen Ereignissen umfassende Hilfsleistungen verspricht, dann wird er über kurz oder lang damit überfordert sein.“
Viele Eigentümer haben keine Versicherung gegen Elementarschäden
Deswegen sei es sehr klug, dass immer mehr Menschen und Unternehmen private Vorsorge betrieben und sich gegen Elementarschäden versicherten. Weil sagte, etwa ein Drittel der Hauseigentümer in Niedersachsen habe eine solche Versicherung. Dies sei ein unterdurchschnittlicher Wert im bundesweiten Vergleich. AfD-Innenpolitiker Stephan Bothe sagte, er habe Zweifel, dass es genügend Versicherer gebe, bei denen man eine solche Versicherung abschließen könne. Weil dankte am Mittwoch erneut den Zehntausenden Helferinnen und Helfern für ihren Einsatz.
CDU-Fraktionsvorsitzender Sebastian Lechner forderte mehr Engagement des Landes beim Deichschutz. Sein Parteikollege Ulf Thiele übte zudem Kritik an der Bundesregierung: „Trotz Versprechungen hat die Bundesregierung keine angemessene Hilfe bereitgestellt. Besonders enttäuschend ist das Verhalten von Bundeskanzler Scholz, der zwar vor Ort Solidarität beteuert, jedoch keine konkreten Hilfsmaßnahmen umsetzt. Vom Ufer aufs Wasser schauen reicht nicht“, sagte Thiele.