Hannover (dpa/lni). Die Unterrichtsversorgung ist ein wichtiger Wert, um zu schauen, wie es um die Schulen steht. Nach Jahren des Rückgangs ist der Wert nun leicht gestiegen. Doch die Herausforderungen bleiben groß.
Die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen ist nach mehreren Jahren erstmals wieder gestiegen. Der Wert kletterte zum Stichtag 31. August 2023 um 0,6 Prozentpunkte im Vergleich zum Jahr zuvor, wie das Kultusministerium in Hannover am Mittwoch mitteilte. Damit ist dieser für viele Experten wichtige Wert erstmals seit 2019 wieder gestiegen und lag nun bei 96,9 Prozent. Berücksichtigt darin sind alle allgemeinbildenden Schulen im Land. Trotz der gestiegenen Zahl bleiben die Herausforderungen in der Bildungspolitik enorm.
Je nach Schulform ergeben sich unterschiedliche Werte. Die Unterrichtsversorgung war an den Gymnasien mit 99,6 Prozent am höchsten, am niedrigsten an den Förderschulen mit 91,6 Prozent. Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) sagte, für eine Unterrichtsversorgung von 100 Prozent brauche man etwa 2000 zusätzliche Lehrkräfte. Gestiegen ist laut Ministerium zudem die sogenannte Lehrer-Schüler-Relation. Sie gibt an, wie viele Lehrerstunden bei den Schülerinnen und Schülern ankommen.
Aufgaben für Schulen sind gewachsen
Die Unterrichtsversorgung in Niedersachsen war zuvor auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Statistik vor 20 Jahren gesunken. Die Statistik gibt wieder, ob an den jeweiligen Schulen für die errechnete Zahl an Unterrichtsstunden auch genügend Lehrerinnen und Lehrer vorhanden sind. Werte von über 100 Prozent ergeben sich, wenn über das Pflichtangebot hinaus Lehrer für weitere Angebote oder etwa Vertretungsstunden zur Verfügung stehen. Krankheitsfälle zählen in die Unterrichtsversorgungsstatistik nicht mit rein. Der Verband niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) sagt beispielsweise, dass für eine Vollversorgung ein Wert von 110 Prozent notwendig sei.
In früheren Jahren war dieser Wert noch höher - vor zehn Jahren waren es beispielsweise noch mehr als 100 Prozent, ab 2015 stets darunter. Zahlen aus früheren Jahren sind mitunter schwer zu vergleichen, weil in den Folgejahren mehr Aufgaben für Lehrer und Schulen hinzukamen, beispielsweise die Ganztagsbetreuung. Somit müssen Schulen mittlerweile mehr abdecken als noch vor einigen Jahren. „Unterrichtsversorgung ist eben nicht nur Deutsch, Mathe und Englisch, sondern auch diese vielen Zusatzbedarfe für Sprachförderung und anderes“, sagte die Ministerin.
Mehrere Gründe für höhere Unterrichtsversorgung
Den nun gestiegenen Wert führte die Ministerin unter anderem auf viele Einstellungen zurück. „Wir haben wieder mehr Lehrkräfte einstellen können, als aus dem aktiven Schuldienst ausgetreten sind. Im Kalenderjahr 2023 konnten wir insgesamt 2563 Lehrkräfte neu dazugewinnen - das sind rund 400 mehr als in Pension gegangen sind“, betonte Hamburg. Hinzu kämen freiwillige Teilzeiterhöhungen.
Die Ministerin sagte, durch Erhöhungen bei der Teilzeit konnten im ersten Schulhalbjahr rechnerisch 146 Vollzeitstellen hinzugewonnen werden, im zweiten Schulhalbjahr 85. Von den knapp 1200 ausgeschriebenen Stellen zum zweiten Halbjahr seien bislang gut 75 Prozent besetzt. Um alle zur Verfügung stehenden Stellen zu besetzen, bleibe das Einstellungsverfahren auch über den 1. Februar geöffnet, hieß es.
Mehr Quereinsteiger sollen an Niedersachsens Schulen kommen
Die Herausforderungen bleiben nach Einschätzung der Ministerin auch künftig groß. Nach einer Prognose steigen die Schülerzahlen in den kommenden Jahren deutlich. Bereits in diesem Schuljahr stieg die Schülerzahl in Niedersachsen laut Ministerium um knapp 9000 auf 821.376. Die Ministerin will etwa den Quereinstieg in den Lehrerberuf erleichtern. Die Anerkennungsstelle für den Quereinstieg und für die im Ausland erworbenen Abschlüsse soll aufgestockt werden.
Gewerkschaft: Lehrermangel bleibt erhalten
Der Verband niedersächsischer Lehrkräfte sagte, die Lage bleibe sehr ernst an den Schulen. Man sei noch immer weit von einer ordentlichen Unterrichtsversorgung entfernt.
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sagte, der Lehrkräftemangel werde auch in den kommenden Jahren erhalten bleiben. „In den Schulen wird unter Volllast gearbeitet. Es ist wichtig, wenn auch die Politik ihren Teil hier schnell leisten würde, um die Bedingungen tragbar zu gestalten“, sagte GEW-Landesvorsitzende Stefan Störmer.
CDU-Bildungspolitiker Christian Fühner forderte unter anderem, dass die Anstrengungen verstärkt werden müssten, um mehr Lehrer in Teilzeit zu motivieren, ihre Stunden zu erhöhen. Zudem müssten der Quereinstieg, die Akquise von Pensionären sowie die Anerkennungsverfahren aus dem Ausland und anderen Bundesländern angegangen werden, sagte der Oppositionspolitiker. Er warf der Ministerin vor, in ihrer bisherigen Amtszeit keine neuen Akzente gesetzt zu haben, um die Unterrichtsversorgung an den Schulen zu verbessern.
AfD-Politiker Harm Rykena sagte: „Wenn nicht deutlich mehr Lehramtsanwärter aus den Hochschulen kommen, wird sich der Lehrermangel auf Dauer kein Stück bessern.“