Hannover (dpa/lni). Noch während der Kundgebung strömten Menschen auf den Platz vor der Staatsoper Hannover. Niedersachsens Ministerpräsident Weil und der frühere Bundespräsident Wulff riefen dazu auf, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen.
Rund 35.000 Menschen sind in Hannover gegen Rechtsextremismus und für die Demokratie auf die Straße gegangen. Bei einer Kundgebung auf dem komplett gefüllten Opernplatz sprachen unter anderem Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und der frühere Bundespräsident Christian Wulff (CDU). Die Teilnehmerzahl 35.000 nannten sowohl die Veranstalter der Demo als auch die Polizei. In anderen niedersächsischen Städten gab es am Samstag ebenfalls Demonstrationen gegen rechts. Am Sonntag ist in Bremen eine Kundgebung geplant.
Wulff erinnerte daran, dass auf den Tag genau vor 82 Jahren die Wannseekonferenz in Berlin stattgefunden habe. Sie sei zum Symbol geplanter, systematisierter Tötung der Juden Europas geworden. „Deshalb dürfen wir nie wieder zulassen, dass in Deutschland über die Selektion von Menschen nach Herkunft, nach Aussehen, nach Religion, nach Handicap oder irgendeines Kriteriums beraten wird“, sagte Wulff.
Das frühere Staatsoberhaupt erinnerte an die Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU), den Anschlag auf die Synagoge in Halle, die Morde in Hanau und die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. „Wir sollten viel häufiger an die Witwen, an die Waisen denken, die dieser rechtsextremistische Terror hervorgerufen hatte“, sagte Wulff. Die „Verharmloser der AfD“ bereiteten den Boden für Hass, deshalb seien Menschen in Deutschland gefährdet.
Niedersachsens Regierungschef Weil rief die Zuhörerinnen und Zuhörer dazu auf, im eigenen Umfeld klare Kante gegen rechts zu zeigen und für Menschenrechte und Demokratie einzutreten. „Verteidigen wir unsere Demokratie“, appellierte der Ministerpräsident. „Nie wieder ist jetzt!“ Während der Kundgebung strömten weitere Menschen auf den dicht gefüllten Opernplatz. Sie trugen Plakate mit der Aufschrift „Wir sind bunt“ oder „Faschismus ist keine Alternative“.
Auslöser der seit mehreren Tagen andauernden Proteste in vielen deutschen Städten ist ein Bericht des Medienhauses Correctiv aus der vergangenen Woche über ein bis dahin nicht bekanntes Treffen von Rechtsradikalen in einer Potsdamer Villa vom 25. November. An dem Treffen hatten auch mehrere AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion teilgenommen.
Der frühere Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich, Martin Sellner, hatte dort nach eigenen Angaben über „Remigration“ gesprochen. Wenn Rechtsextremisten den Begriff verwenden, meinen sie in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll - auch unter Zwang.
Matthias Görn, Vorsitzender des Freundeskreises Hannover, hatte die Demonstration in der Landeshauptstadt angemeldet. „Es ist immer von der schweigenden Masse gesprochen worden. Die Masse möchte jetzt Farbe bekennen und nicht mehr schweigen“, sagte Görn der dpa.
Am Freitagabend musste wegen des großen Andrangs eine Demonstration gegen rechts und die AfD in Hamburg abgebrochen werden. Einer der Organisatoren verwies auf Sicherheitsbedenken. Die Polizei sprach von 50.000 Teilnehmern, die Veranstalter sprachen von 80.000.
Zu einer Demonstration gegen rechts in Oldenburg kamen laut Polizei nach vorläufiger Schätzung am Samstag rund 7000 Menschen. In Braunschweig hatte der Stadtschülerrat eine „Demo gegen die faschistischen Deportationspläne von AfD und Werteunion“ angemeldet. Die Polizei zählte in Braunschweig etwa 15.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.