Pewsum (dpa/lni). Zur Weihnachtszeit herrscht im Einzelhandel in der Regel besonders viel Trubel. In Ostfriesland setzt ein Supermarkt nun immer freitags aber auf Ruhe: Durchsagen werden reduziert, die Einkaufsmusik ausgestellt. Das Angebot richtet sich an eine bestimmte Zielgruppe.
Das sogenannte Silent Shopping ist leise auch in immer mehr Läden in Bremen und Niedersachsen auf dem Vormarsch. Seit kurzem bietet eine „Stille Stunde“ in einem Verbrauchermarkt im ostfriesischen Pewsum (Landkreis Aurich) Kunden immer Freitagabends die Möglichkeit bei einem geringeren Geräuschpegel einzukaufen. Auf Durchsagen und Einkaufsmusik etwa wird dann ebenso verzichtet wie auf das Auffüllen von Regalen. Das Angebot soll besonders Kunden ansprechen, die sich von zu viel Lärm belastet fühlen - Menschen mit Autismus oder Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (ADS) etwa. „Es ist wenig Arbeit, aber hat einen großen Effekt“, sagte Frank Fahr, Vorsitzender des Vereins „Heel wat besünners“, der die Idee zu der Aktion gab.
Für Menschen mit Formen von Autismus sei das übliche Gewusel und die Geräuschkulisse in Supermärkten eine große Herausforderung. „Die Konzentration ist wie weggeblasen“, beschreibt Fahr die Situation für Menschen, die reizempfindlich sind. Für den Kopf koste die Belastung viel Kraft. Betroffene würden das Einkaufen eher meiden. Umso wichtiger sei es, dass es Angebote für ein reizarmes Einkaufen gebe, sagte Fahr. Sein Verein für Menschen aus dem Autismus-Spektrum stieß mit der Idee beim Marktleiter des Verbrauchermarktes auf Interesse.
Das Angebot richte sich aber nicht nur an Menschen aus dem Autismus-Spektrum, betonte Fahr. Natürlich könne jeder Einkaufen - besonders, dann wenn man „einfach mal in Ruhe einkaufen“ wolle.
Bislang sind „Silent-Shopping-Angebote“ vor allem in größeren Städten zu finden - in Bremen und Hannover bieten Supermärkte etwa „Stille Stunden“ an. Wie viele Läden und Geschäfte landesweit mitmachen, dazu hat der Handelsverband Niedersachsen-Bremen keine Zahlen. Dort sieht man aber seit wenigen Jahren ein stärkeres Bewusstsein bei Händlern für solches reizarmes Einkaufen. „Ich weiß von unterschiedlichen Bereichen, dass es Akteure gibt, die sich durchaus diesem Bereich öffnen“, sagte Hauptgeschäftsführer Mark Alexander Krack auf Anfrage.
Es gebe solche Aktionen etwa im Lebensmitteleinzelhandel und auch in Bekleidungsgeschäften. Schon länger seien etwa Sanitätshäuser auf ein ruhigere Einkaufsumgebung bedacht. Diese Geschäfte hätten das Thema wegen ihrer Kundschaft ohnehin schon länger auf der Agenda, sagte Krack. Mit dem „Silent Shopping“ komme der Einzelhandel nicht nur einer gesellschaftlichen Verantwortung nach, Einkaufen für alle Gruppen so komfortabel wie möglich zu machen - für die Geschäfte selbst seien solche Angebote auch eine gute Werbung.
Die Unternehmensgruppe Bünting aus Leer, zu der der Combi-Markt in Pewsum gehört, teilte auf Anfrage mit, die bisherigen Rückmeldungen von Kundinnen und Kunden zum „Silent Shopphing“ seien „durchweg positiv“. Für den Markt selbst sei die Aktion kaum mit Aufwand verbunden. Bislang ist der Markt in Pewsum aber der einzige der Gruppe, der die Form des reizarmen Einkaufens anbietet.
In Ostfriesland ist das Angebot in Pewsum nach Angaben des Vereins „Heel wat besünners“ bislang einzigartig. Der Verein wünscht sich, dass noch mehr Läden an verschiedenen Tagen mitmachen. So hätten etwa Autistinnen und Autisten mehr Auswahl, sagte Vorsitzender Fahr.