Osnabrück/Hamburg. Die Verurteilung des katholischen Erzbistums Köln zu einer Schadensersatzzahlung an ein Missbrauchsopfer könnte auch in Norddeutschland zu Klagen führen. Die Kirchen sollten auch hier den Weg frei machen für solche Prozesse, fordern Betroffene.
Nach der Verurteilung des Erzbistums Köln zur Zahlung von Schmerzensgeld an ein Missbrauchsopfer sind auch in den norddeutschen katholischen Bistümern entsprechende Verfahren zu erwarten. „Ich vermute, es werden Klagen kommen“, sagte Nicole Sacha vom Betroffenenrat Nord, der die Interessen von Opfern sexualisierter Gewalt in den katholischen Bistümern Osnabrück und Hildesheim sowie im Erzbistum Hamburg vertritt. Bislang sind dem Gremium in den drei Bistümern mehr als 200 Betroffene bekannt.
Da Landgericht Köln hatte am vergangenen Dienstag das Erzbistum zur Zahlung von 300.000 Euro an einen Betroffenen verurteilt. Der heute 62-Jährige war in den 1970er Jahren mehr als 300 Mal von einem Priester missbraucht worden. Das Erzbistum Köln hatte entschieden, in dem Fall keine Verjährung geltend zu machen. Bislang leisten die katholischen Bistümer nur freiwillige Zahlungen an Missbrauchsbetroffene in Anerkennung des Leids.
Mit dem Urteil sei von einem Gericht festgestellt worden, dass die Kirche Verantwortung trage für die Taten ihrer Priester. „Die Institution hat Verantwortung, das ist ein großer Meilenstein“, sagte Sacha. Die derzeit gezahlten Anerkennungsleistungen seien nur ein Gnadenakt. „Die Täterorganisation ist so gnädig und teilt einem mit, wie viel man ihr Wert ist - so kommt das bei den Betroffenen an.“
Es wäre gut, wenn auch die anderen Bistümer auf das Geltendmachen einer Verjährung zu verzichten, forderte Sacha: „Wenn das die Nordbistümer machen würden, wäre das ein angemessenes Signal zu sagen, wir übernehmen jetzt mal tatsächlich Verantwortung, wir haben verstanden.“
Wegen der gemeinsamen Geschichte der drei norddeutschen Bistümer hatten die Bischöfe beschlossen, eine gemeinsame Kommission zur Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt einzusetzen und auch einen gemeinsamen Betroffenenrat zu berufen. Die Aufarbeitung in den drei Nordbistümern komme aus ihrer Sicht unterschiedlich gut voran, kritisierte Sacha. „Im Erzbistum Hamburg ist noch am meisten Luft nach oben.“ Auch das Bistum Hildesheim komme nur sehr zögerlich ins Handeln. „Das Bistum Osnabrück ist im Moment das, was positiv hervorsticht, wir werden dort wirklich gut beteiligt.“ So sei der Betroffenenrat auch bei der Ausschreibung zur Besetzung einer Ombudsstelle für Betroffene sexualisierter Gewalt gefragt worden.
Zu Beginn der ehrenamtlichen Arbeit habe es bei ihr das Gefühl gegeben, nur ein Feigenblatt zu sein, sagte Sacha. Inzwischen habe sich der Betroffenenrat ganz gut selbst ermächtigt. Langsam würden die Bistümer merken, dass der Betroffenenrat ein Recht habe, gefragt zu werden, dass er Stellungnahmen und Pressemitteilungen herausgebe und es ernst meine mit der Betroffenenbeteiligung.
Sie habe den Eindruck, dass es angesichts des Missbrauchsthemas bei vielen in der Kirche immer noch keine Haltungsänderung gebe. „Viele Kleriker hätten das jetzt gerne weg, weil es sie auch in ihrer Lebensentscheidung in Frage stellt: „Das Thema muss bei jedem ankommen, und da hakt es noch bei vielen.“