Hannover. Kirmes und Schützenfeste waren in der Pandemie lange verboten. Corona hat Hunderte Familienbetriebe, die von Jahrmärkten leben, in Existenznot gestürzt. Wie geht es der Branche heute angesichts neuer Unsicherheiten?

Die Schausteller und Marktkaufleute blicken nach der Corona-Krise optimistisch in dieses Jahr, warnen aber vor negativen Entwicklungen. „Wir wehren uns gegen eine Verteuerung der Rahmenbedingungen“, sagte Wilfried Thal, Präsident des Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute (BSM) am Mittwoch in Hannover. Die Kommunen dürften Standgebühren nicht weiter erhöhen, dann drohten etwa Weihnachtsmärkte zu bloßen Feiermeilen zu werden. „Dann sieht man da nur noch Glühwein- und Bratwurstbuden, kein Spielzeug mehr und keinen Stand mit Gewürzen“, sagte der Wochenmarkthändler aus Hamburg.

„Es ist wichtig, dass Volksfeste in öffentlicher Hand bleiben“, betonte auch der Dortmunder Schausteller Patrick Arens. „Wenn Volksfeste große Ballermann-Partys sind, geht keiner mehr hin.“ Der Verband verwies auf die wichtige gesellschaftliche Funktion der Volksfeste als Treffpunkt - sie ziehen den Angaben nach bundesweit jährlich geschätzte 190 Millionen Besucherinnen und Besucher an.

Um die Folgen der Pandemie abzufedern, seien mindestens zwei, drei gute Jahre notwendig, sagte Arens. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, Inflation und steigende Energiekosten bedeuteten neue Unsicherheiten. Arens warnte vor der Absage geplanter Feste, dies könnten die Schausteller nicht mehr hinnehmen. Im vergangenen Jahr hätten Ausrichter unter anderem wegen der befürchteten Energieknappheit mehrere kleinere Volksfeste abgesagt.

Dem Verband zufolge gab es für die großen Volksfeste zuletzt nicht mehr so viele Bewerber wie vor Corona. Laut Arens haben einzelne Kollegen inzwischen feste Betriebe. Sie reisen nicht mehr mit Karussells oder Süßigkeiten-Buden herum, sondern stehen mit ihren Geschäften zum Beispiel vor Einkaufszentren oder in Fußgängerzonen. In der Pandemie waren zudem temporäre Freizeitparks entstanden.

Auch die zweite Branchen-Organisation, der Deutsche Schaustellerbund, geht optimistisch in das Jahr 2023 hinein, wie Hauptgeschäftsführer Frank Hakelberg der Deutschen Presse-Agentur sagte. Zwar hätten Schützenfeste in kleineren Orten zuletzt teils weniger Gäste angezogen, dafür entstehen Hakelberg zufolge vielerorts auch neue Feste. Die Menschen hätten Sehnsucht nach Begegnungen in der analogen Welt. „Sie wollen sich nicht mehr über Internet-Kontaktbörsen verlieben, sondern auf dem Volksfest“, sagte er.

Dennoch beobachteten die Schausteller mit Sorge, wie es mit dem Krieg und der Inflation weitergehe. Entscheidend sei, dass die Strompreisbremse auch für die Branche gelte, betonte Hakelberg. Darüber hinaus hätten die Unternehmen wie in der Gastronomie Schwierigkeiten, Mitarbeiter zurückzuholen. „Viele haben sich in der Pandemie anders orientiert.“