Lüneburg. In der Innenstadt wird liebevoll verpackt, was dort zuvor gekauft wurde – um dem Online-Handel zu trotzen. Die Idee funktioniert.
Der Tesafilm geht zur Neige, auch der Vorrat an schönen Schleifenbändern müsste mal wieder aufgefüllt werden. Kleinigkeiten, die die Mitarbeiter an der Geschenke-Packstation in Lüneburg nicht so schnell aus dem Konzept bringen. Noch haben sie jedes Päckchen in passendes Papier gehüllt und zufriedenen Kunden in die Hand gedrückt.
„Ich bin auf jeden Fall so flink und fleißig wie ein Wichtel“, sagt Kathrin Wenzel, die das Team aus Studierenden, Rentnern und begeisterten Verpackungskünstlern koordiniert. Sie weiß, welche Dinge in diesem Jahr unter vielen Weihnachtsbäumen liegen werden. „Wir haben ganz viele Socken verpackt, besonders edle und teure aus Wolle. Auch Kaffee wird viel verschenkt und natürlich Bücher.“ Auch Haushaltsgeräte sind offenbar beliebte Geschenke, die Kunden brachten Fettabscheidekannen und Rettichspiralschneider zum Einpacken vorbei. Häufig sind zudem Produkte vom nahe liegenden Weihnachtsmarkt, wie Porzellanhäuschen und Glocken.
Der Service ist für die Kunden kostenlos, auch der Lieferservice per Lastenrad
Eingepackt wird alles, was in der Lüneburger Innenstadt gekauft wurde – egal, ob es ein Buch, ein Schmuckstück, eine Handtasche oder Kleidung ist. Auch einen großen Kabinenkoffer und einen 50 Zentimeter hohen Weihnachtsmann aus Schokolade hat das Team schon eingewickelt. Der Service ist für die Kunden kostenlos, ebenso wie der Lieferservice per Lastenrad vom Heid Löper.
Organisiert wurde die Aktion von der Lüneburg Marketing und dem Verein Lüneburger Citymanagement, der auch die Kosten trägt. Noch bis zum 23. Dezember sind die Stationen im Medienhaus am Sande 17 und am Marktplatz an der Bardowicker Straße 1 montags bis sonnabends jeweils von 12 bis 18 Uhr geöffnet.
Hier könne sie Menschen glücklich machen, sagt eine der Einpackerinnen
In den früheren Räumen der Buchhandlung Lünebuch direkt am Marktplatz tritt Kathrin Wenzel am Freitagmittag ihre Schicht an. Es ist kühl, Mantel und Schal behält sie an. Sie sei eigentlich nicht besonders bastelbegeistert, sagt die 59-Jährige, die als selbstständige Trauerrednerin arbeitet. „Aber hier kann ich Menschen glücklich machen. Ich habe noch nie mit so vielen Leute gequatscht und geschnackt. Außerdem kann ich Tüten falten.“ Diese Kunst ist besonders praktisch, wenn es um unhandliche Kleinigkeiten geht, wie die Spielfigur, die ein Mann an diesem Tag vorbeibringt.
Kathrin Wenzel prüft ihren Stapel an selbstgebastelten Geschenkpapiertüten, zieht eine heraus und lässt die Figur darin versinken. „Guck mal, das passt genau“, sagt sie zufrieden und lässt ihren Kollegen Julian Burmester das Ergebnis begutachten. Der 20-Jährige bewirbt sich zurzeit auf Studienplätze, über eine Freundin ist an den Job in der Packstation gekommen.
Manchmal werde gemeckert, dass bei Karstadt nicht mehr direkt eingepackt wird
Im Einpacken hat er mittlerweile Routine, auch wenn alles, was nicht im Karton daherkommt, schnell knifflig wird. „Aber kompliziert wird es vor allem bei Schachteln, die ganz asymmetrische Formen haben.“ Im Zweifel helfen da immer die gefalteten Tüten. Der Job als moderner Geschenkewichtel hat für ihn einen angenehmen Nebeneffekt: „Ich bekomme viel Inspiration, was ich selbst verschenken könnte.“ Kathrin Wenzel nickt, auch sie hat sich einige der zahlreichen Bücher gemerkt, die hier täglich zum Verpacken gebracht werden.
Wenn der Andrang groß ist, können die Geschenke auch später abgeholt werden. Einige Kunden seien unzufrieden, dass sie für den Service zu den Stationen gehen müssten, sagt Katrin Wenzel. „Es wird manchmal gemeckert, dass bei Lünebuch oder Karstadt nicht mehr direkt eingepackt wird. Aber dann versöhne ich hier.“
Für manche ist der Einsatz ein willkommener Zuverdienst für Gas und Strom
Katrin Engler hat an diesem Tag Geschenke für ihre Freunde gekauft, im Laden erhielt sie den Tipp, damit zur Einpackstation zu gehen. „Ich finde das total super und natürlich praktisch, weil ich selbst nicht so gern einpacke“, sagt die Adendorferin und reicht Gläser und ein Kosmetiktäschchen über den Tresen. Auf dem Holz kleben die möglichen Geschenkpapiermuster, Katrin Engler entscheidet sich für ein weißes und ein goldenes. „Gut, dass die Auswahl nicht so groß ist, ich hasse Entscheidungen.“
Ihre Geschenke nimmt Tanja Hohmann entgegen, Mutter und an der Uni tätig. Der Einsatz in der Packstation sei eine willkommene Nebeneinkunft für Gas und Strom in diesem Jahr, sagt die 50-Jährige, die sich einen dicken Schal umgewickelt hat. „Außerdem habe ich schon immer sehr gern eingepackt und finde es schön, Kontakt zu so vielen unterschiedlichen Menschen zu haben.“ Es freue sie, glückliche Besucher zu sehen und Familien, die sich gegenseitig ihre Einkäufe zeigten. „Einmal hat ein Opa seinem Enkel in der Wartezeit einen Kakao geholt – und mir gleich einen mitgebracht.“
Der Citymanager hat Tesafilm bei Karstadt organisiert
Mit geübtem Griff trennt sie Geschenkpapier von der Abreißrolle ab und wickelt weitere Bücher ein. Neben ihr bindet Julian Burmester kleine Schleifen aus roten Bandresten, damit will er später Geschenke verzieren. Dann kommt Matthias Schneider, Citymanager von der Lüneburg Marketing GmbH (LMG) und der Kopf hinter der Aktion, herein. In den Händen hält er mehrere große Rollen Tesafilm: „Hab ich bei Karstadt organisiert.“
Gemeinsam mit LMG-Geschäftsführerin Melanie-Gitte Lansmann und Heiko Meyer, Vorsitzender des Vereins Lüneburger Citymanagement, hat er an vielen Hebeln gedreht, um die beiden Einpackstationen kurzfristig zu errichten. „Das ging nur, weil alle an einem Strang gezogen haben“, sagt Meyer. Ihr gemeinsames Ziel ist es, mit dem Adventsangebot den lokalen Einzelhandel zu stärken. „Wir wollen zeigen, dass der Service beim Einkauf in der Innenstadt ein ganz anderer ist als beim Bestellen im Internet“, sagt Lansmann.
Das Angebot wird angenommen: Seit Mitte November wurden in dem früheren Buchladen jeden Tag etwa 100 Geschenke verpackt, insgesamt sind bei der Aktion bisher mindestens 3300 Geschenke über die Tresen gegangen.