Ovelgönne/Hannover (dpa/lni). Aus Klimaschutzgründen müssten viele Moore wiedervernässt werden - da aber gerade im Nordwesten viele entwässerte Moorflächen als Grünland von den Milchbauern genutzt werden, hätte das erhebliche Auswirkungen auf die Landwirtschaft in der Region.
Mit Blick auf den Moorschutz haben die Landwirte in Nordwestniedersachsen besondere Erwartungen an die künftige Landesregierung und an den Bund. Aus den Klimaschutzzielen ergäben sich erhebliche Folgen vor allem für die moorreiche Region in Nordwest-Niedersachsen, sagte Karsten Padeken, Vorsitzender des Kreislandvolkvereins Wesermarsch, der Deutschen Presse-Agentur in Ovelgönne. „Wir sind uns alle einig, dass beim Moor- und Klimaschutz etwas passieren muss“, sagte Padeken. Aber es gehe um den Weg und auch darum, wie ausgeglichen die Belastungen verteilt werden. „Es kann nicht sein, dass einige alleine die Suppe auslöffeln müssen. Klimaschutz ist eine Gemeinschaftsaufgabe.“
Hintergrund ist der Umstand, dass aus entwässerten Mooren in erheblichem Maß das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) entweicht. In Niedersachsen - dem moorreichsten Bundesland - machen diese Emissionen dem Landvolk zufolge elf Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes aus. Diese Emissionen müssen bis zum Jahr 2045 komplett beendet werden, fordert das Bundesklimaschutzgesetz von 2021. Das ist nur zu erreichen, wenn ein großer Teil der Moorflächen wiedervernässt wird. Davon ist in Niedersachsen vor allem der Nordwesten betroffen. Eine wichtige Erwerbsquelle ist hier die Milchviehwirtschaft.
Diese müsste nach den bisherigen Plänen der Politik im Bund und der EU künftig aufgegeben werden, denn der Wasserstand müsste für den Moorschutz auf den jetzt landwirtschaftlich genutzten Flächen deutlich angehoben werden. Eine kürzlich vorgelegte Studie des Grünlandzentrums Niedersachsen-Bremen hat erstmals die wirtschaftlichen Folgen grob analysiert. Demnach wäre eine Fläche von fast 200.000 Hektar im Nordwesten Niedersachsens betroffen.
Bei einer Aufgabe der Milchproduktion in der Region würde das der Studie zufolge einen Wertschöpfungsverlust von 472 Millionen bis 673 Millionen Euro pro Jahr ergeben. In der Landwirtschaft fielen zwischen 3500 und 6000 Arbeitsplätze weg, zusammen mit dem vor- und nachgelagerten Bereich zwischen 30 000 und 48 000 Arbeitsplätzen. Auch die nicht mehr landwirtschaftlich nutzbaren Flächen dürften drastisch an Wert verlieren - die Schätzung lautet hier auf bis zu 2,5 Milliarden Euro.
Padeken bemängelte, dass die sozialen und wirtschaftlichen Folgen für die Region seitens der Politik noch nicht ausreichend bedacht seien. So sei unter anderem noch nicht klar, was mit den Siedlungsstrukturen in der Region geschehe. Auch über die Veränderungen im Wassermanagement für die Region gebe es noch kein Konzept: „Bis dato ist noch keine Folgenabschätzung für die Region in welcher Form auch immer gemacht worden.“
Die Studie eröffne die Möglichkeit, über verschiedene Moor- und Klimaschutzmaßnahmen nachzudenken. „Wir brauchen verschiedene Bausteine“, sagte Padeken. Das heißt: Es sollte nicht allein auf die Wiedervernässung aller Moorflächen gesetzt werden, sondern es sollten verschiedene Maßnahmen geprüft werden. Und auch die Milchviehhaltung sollte nicht komplett aufgegeben werden, sondern in gewissen Grenzen noch möglich sein. Denn für die von Politik und Wissenschaft vorgeschlagenen alternativen landwirtschaftlichen Nutzungen der Moorflächen gebe es schlicht noch keinen Markt, sagte Padeken.