Hannover. Die Tierärztliche Hochschule Hannover bietet Sprechstunde für betroffene Hunde und Katzen an – und gibt Tipps zur Prävention.

Wie kommt es, dass Hunde und Katzen manchmal desorientiert in Ecken stehen, Ängste zeigen oder sich ihr Wesen verändert? Können Tiere etwa dement werden? Und tatsächlich: Nicht nur Menschen leiden im Alter daran, auch Hunde und Katzen erkranken gegen Ende ihres Lebens häufig an Demenz.

Das Problem: Demenzerkrankungen bei Tieren sind „aktuell unterdiagnostiziert und die tierischen Patienten sind somit unterversorgt“, sagt Tierärztin Nina Meyerhoff von der Tierärztlichen Hochschule (TiHo) Hannover. Eine bessere Aufklärung der Tierhalterinnen und Tierhalter könne „zu besserer Prophylaxe und insgesamt zu einer besseren medizinischen Versorgung älterer Tiere führen“. Die niedersächsische Hochschule bietet aber auch Hilfe an: Bei einer wöchentlichen Spezialsprechstunde geht es um die Bestimmung der Krankheit, die Linderung der Symptome und auch um das Thema Prävention.

Demente Katzen fangen an, exzessiv zu miauen

Das sei auch nötig, denn verschiedenen Studien zufolge litten 68 Prozent der Hunde zwischen 15 und 16 Jahren sowie jede zweite Katze über 15 an Demenz, sagt Meyerhoff. Die tatsächlichen Zahlen könnten noch höher liegen, weil viele Fälle wegen mangelnder Aufklärung unerkannt blieben.

Der erste Schritt sei, die Demenz zu erkennen: „Der Verlauf ist sehr unterschiedlich, bei jedem Tier sind die ersten Symptome individuell“, erklärt Meyerhoff. Ein klassisches Anzeichen sei beispielsweise Desorientierung, die Tiere stünden oft in Ecken oder fänden die richtige Seite der Tür nicht mehr. Auch Veränderungen bei sozialer Interaktion, Schlafrhythmus, Ängsten, Aktivitäten oder auch bei der Stubenreinheit könnten Symptome sein. „Bei Katzen ist eine weitere Besonderheit, dass sie exzessiv miauen.“

Hündin Lotta fand ihren Futternapf nicht mehr

Einige dieser Symptome zeigte auch Lotta, die Hündin von Anke Strecker aus Göttingen. „Auffällig war vor allem eine vermehrte Unruhe und dass sie sich in Ecken gestellt hat“, sagt Lottas Frauchen. „Gleichzeitig bestand eine Unlust an den üblichen Hundegängen, die sich dadurch mit der Zeit massiv verkürzten.“ Die Krankheit wurde im Zeitraum von etwa zwei Jahren immer schlimmer: Lotta fand ihren Futternapf nicht mehr, erkannte eigentlich bekannte Menschen nicht oder hatte Probleme, sich hinzulegen.

„Schmerzlich war auch ihre Wesensveränderung, zu meinem Mann und mir bestand zwar noch eine Bindung, sie war aber brüchig. Lotta lebte irgendwann in ihrer eigenen Welt“, erklärt Strecker. Die demente Hündin habe teils sogar angefangen, bei Berührungen zu beißen. Strecker brachte ihre kranke Hündin nach Hannover. Dort wurde das Tier mit beruhigenden und angstlösenden Medikamenten, verschiedenen Ergänzungsfuttermitteln und einer Medikation gegen ihre Arthrose behandelt. Dennoch musste Lotta, deren genaues Alter unbekannt war, knapp zwei Jahre nach Erkennung der Symptome eingeschläfert werden – am normalen Leben, wie sie es sonst gekannt hatte, nahm sie nicht mehr teil. Am Ende konnte sie nicht einmal mehr aufstehen.

Die beste Prävention für Katzen: Spielen, spielen, spielen

Tierärztin Nina Meyerhoff betont: „Eine Heilung gibt es aktuell nicht.“ Die Therapie ziele auf Linderung und die Verlang­samung der Krankheitssymptome ab. Eine Anpassung von Ernährung und Lebensstil soll demnach die Gehirndurchblutung verbessern und Ängste mildern, Physiotherapie könne die allgemeine Beweglichkeit stärken. „Moderate tägliche körperliche Aktivität, kognitives Fördern und Fordern mittels positivem Training und die Fütterung einmal täglich kann in einigen Fällen sinnvoll sein“, erklärt die Veterinärmedizinerin.

Auch Prävention kann gegen einen starken Krankheitsausbruch helfen. Spezielle Diäten und die frühzeitige Behandlung anderer Erkrankungen seien hilfreich, sagt Meyerhoff. „Bei Katzen wird eine reizarme Umgebung als Risikofaktor beschrieben.“ Die Lösung: Katzen brauchen lebenslang die Möglichkeiten zum Lernen und Spielen, sie sollten klettern können und die Möglichkeit haben, nach draußen zu gehen – oder zumindest auf den Balkon.

Derzeit sind in der wöchentlichen ­Sprechstunde der Tierärztlichen Hochschule Hannover nur zwei bis drei Tiere – Hilfe bräuchten möglicherweise deutlich mehr. Dafür aber fehlt oft die Kapazität, wie beispielsweise im Tierheim in Bremen: „Wir haben häufig demente Katzen oder Hunde, die kommen meistens von Menschen, die mit ihnen überfordert sind“, sagt Tierheim-Sprecherin Gabi Schwab. „Wir können da aber nicht viel machen.“ Die Tierärzte seien meist mit akuten Fällen beschäftigt. Für Prävention gegen Demenz fehle die Zeit.