Borkum. Die Erdgasförderung nahe des Nationalparks Wattenmeer sah die Landesregierung zuletzt kritisch - bis zum Krieg in der Ukraine. Nun deutet sich eine Kehrtwende an. Bei der benachbarten Insel Borkum trifft das auf Unverständnis.

Ungeachtet neuer Überlegungen der Landesregierung, wegen des Krieges in der Ukraine einer Erdgasförderung nahe des Wattenmeers nun doch zuzustimmen, sieht die Insel Borkum das Vorhaben weiter kritisch. "Die geplante Plattform von One-Dyas ist einfach zu dicht am Nationalpark", sagte Borkums Bürgermeister Jürgen Akkermann (parteilos) der Deutschen Presse-Agentur. Das Wattenmeer habe zwar eine Grenze auf der Karte, diese sei für Meeresströme aber keineswegs starr. "Da fließt ja Wasser hindurch und was in der Nähe des Nationalparks ins Wasser eingebracht wird, wird auch im Nationalpark landen", sagte Akkermann mit Blick auf mögliche Verunreinigungen durch die geplanten Gasförderungen im Nordseeboden.

Auch weitere Nordseeinseln sehen das Vorhaben wegen möglicher Umweltfolgen skeptisch. Ende Januar hatten acht niederländische und deutsche Wattenmeerinseln, darunter auch Borkum, gefordert, keine neuen Erdgasförderungen nahe des Wattenmeers mehr zu erlauben. Ihrer Ansicht nach gefährden sie die Ökosysteme des Wattenmeers und damit die Lebensgrundlage der Inseln.

Akkermann sagte, dass Erdgasförderungen in der Nordsee nicht pauschal ausgeschlossen werden sollten. "Ich sehe auch die Notwendigkeit sich von der bisherigen Energieversorgung unabhängig zu machen. Aber man muss nicht alles über Bord werfen." Klar sei, dass eine Förderung von Öl- und Erdgas innerhalb des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, wie von der Landesregierung im neuen Wattenmeergesetz anvisiert, künftig untersagt werden sollte, sagte Akkermann. Er setze aber auch darauf, dass sensible Bereiche, etwa nahe des Nationalparks oder nahe der Inseln, bei neuen Fördervorhaben ausgespart bleiben. Laut dem Umweltministerium in Hannover soll das Thema auch auf der Agenda der geplanten Inselkonferenz Ende März in Aurich stehen.

Aktuell laufen Planungen des niederländischen Unternehmens One-Dyas B.V., das Erdgas aus einem Feld zwischen den Inseln Schiermonnikoog und Borkum fördern und dazu eine Plattform auf See errichten will. Das Gebiet liegt nahe des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer, Teile des Erdgasfeldes befinden sich auf deutschem Hoheitsgebiet. Die Plattform soll im niederländischen Küstenmeer liegen, aber nur etwa 500 Meter von den deutschen Hoheitsgewässern entfernt und ungefähr 20 Kilometer vor der Küste Borkums. In dem Vorkommen werden 60 Milliarden Kubikmeter förderbarer Erdgasreserven geschätzt. Die Hälfte wird auf deutschem Hoheitsgebiet verortet.

Die rot-schwarze Landesregierung hatte sich im vergangenen Sommer gegen das Vorhaben positioniert. Die Genehmigung einer Bohrung von den Niederlanden aus bis in den deutschen Teil des unterirdischen Vorkommens sollte nicht erteilt werden. Angesichts der Unsicherheiten bei der Energieversorgung durch den Krieg in der Ukraine hatte Umweltminister Olaf Lies (SPD) nun eine Abkehr von dieser Position ins Spiel gebracht. Auch Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) forderte eine Neubewertung und kündigte Gespräche mit One-Dyas an.

Gegen das grundsätzliche Vorhaben sieht Borkums Bürgermeister Akkermann allerdings ohnehin wenig Spielraum. Da die Förderplattform auf niederländischer Seite entstehen soll, wird das Genehmigungsverfahren auch im Nachbarland geführt. Eine Zustimmung von deutscher Seite bräuchten die Niederländer, wenn sie von der Plattform aus auch auf deutscher Seite Gas fördern wollten.

Auch die Grünen im niedersächsischen Landtag erneuerten ihre Kritik an dem Vorhaben. "Wir fordern SPD und CDU auf, Kurs zu halten und wie geplant gegen das Erdgasprojekt von One-Dyas zu klagen", teilte Grünen-Abgeordnete Meta Janssen-Kucz (Leer/Borkum) mit. "Sonst rennen wir von einer fossilen Abhängigkeit in die nächste und die Auswirkungen des Klimawandels an der Küste und auf den Inseln verschärfen sich noch schneller und drastischer."

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