Bad Nenndorf. Immer weniger Schwimmkurse, immer weniger Schwimmer: Müssen die Bäder in der Corona-Pandemie dichtmachen, steigt die Zahl der Nichtschwimmer - und niemand weiß, was die Pandemie noch bringt. Die DLRG hat eine ganz klare Forderung.
Geschlossene Bäder in der Corona-Pandemie haben die Nachfrage nach Schwimmkursen für Kinder explodieren lassen. Vielerorts würden Wartelisten geführt, teilte die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft in Bad Nenndorf mit. "Dauerhaft zu deutlich mehr sicheren Schwimmern unter den Kindern kommen wir erst, wenn der Schwimmunterricht in den Schulen flächendeckend wieder stattfinden kann", mahnte DLRG-Präsidentin Ute Vogt. Dafür seien mehr Schwimmbäder und qualifiziertes Personal in den Schulen nötig - und mehr Wasserflächen für die Vereine, damit diese ihrerseits vor allem mehr Kinder im Vorschulalter ausbilden könnten.
Vogt erklärte, angesichts der Schließung der Schwimmbäder während der Lockdowns habe es zwischen Anfang 2020 und Mitte 2021 nur wenig Anfängerschwimmunterricht geben können. Laut DLRG-Zahlen gab es im vergangenen Jahr rund 50 Prozent weniger Teilnehmerinnen und Teilnehmer in den Anfängerkursen - und 70 Prozent weniger Prüfungen für die Schwimmabzeichen. "Diese Zahlen lassen sich gut und gern auf andere Akteure in der Schwimmausbildung übertragen", sagte sie. Die Zahlen für das Gesamtjahr 2021 lagen zunächst noch nicht vor. Das gilt auch für die Zahl der Badetoten im Gesamtjahr 2021: Bis Ende August waren laut DLRG 245 Menschen ertrunken - 82 weniger als im Vorjahreszeitraum.
Schon vor der Corona-Pandemie seien rund 40 Prozent der Kinder am Ende der Grundschule keine sicheren Schwimmer gewesen, teilte die DLRG mit. Der Einschulungsjahrgang 2017/18 mit rund 725.000 Kindern habe im Sommer 2021 die Schulen verlassen, normalerweise hätten diese Kinder im ersten Halbjahr 2020 Schwimmunterricht erhalten. Das bedeute, ohne Pandemiefolgen wären immerhin noch 290.000 von ihnen sichere Schwimmer und könnten das Schwimmabzeichen Bronze - früher Freischwimmer - erhalten.
Lege man die DLRG-Ausbildungszahlen von 2020 zugrunde, wären es aber gerade einmal 72.500 oder zehn Prozent des Jahrgangs, beim Freischwimmer habe das Minus bei 75 Prozent gelegen. Das sei kein präzises Ergebnis, aber die Dimension werde deutlich, erklärte Vogt. Allerdings sei nach Ende des Lockdowns im Frühjahr bundesweit ausgebildet worden, "was das Zeug hält". Kommunen und Bundesländer hätten Schwimmkurse finanziell gefördert - "und tun das noch immer".
An der entsprechenden DLRG-Sommerkampagne hätten sich rund 500 Ortsgruppen beteiligt und 2000 zusätzliche Anfängerkurse angeboten. Damit hätten rund 23.000 Kinder zusätzlich einen Anfängerkurs besuchen können, die DLRG habe etwa 10 000 Seepferdchen- und 3500 Schwimmabzeichen extra ausgestellt.
Entscheidend für die Schwimmkurse seien Schwimmbäder, die für die Schwimmausbildung geeignet seien, vor allem Frei- und Hallenbäder sowie schuleigene Lehrschwimmbecken. Allerdings gibt es inzwischen laut DLRG rund 1600 für die Schwimmausbildung geeignete Bäder weniger als vor 20 Jahren, demnach waren es im Herbst 2020 nur noch 5100 solcher Bäder. Wie viele weitere Bäder angesichts der Pandemie auf der Strecke bleiben werden, lasse sich nicht abschätzen. "Unsere Forderung an Bund und Länder ist daher, einen flächendeckenden Bäderbedarfsplan aufzustellen, bei dem zugrunde liegt, dass jede Schule ein Bad in erreichbarer Nähe haben muss - und dass dieser dann gemeinsam umgesetzt wird", sagte Vogt.
Allein könnten die DLRG und auch die anderen Vereine das Schwimm-Defizit nicht auffangen, betonte Vogt. "In den zurückliegenden Monaten ist viel unternommen worden, um aus Nichtschwimmern doch noch Schwimmer zu machen. Jetzt droht gegebenenfalls pandemiebedingt der nächste Rückschlag." Es liefen bereits Vorarbeiten, um auch 2022 wieder zusätzliche Angebote schaffen zu können.
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