Bargstedt. In ganz Deutschland kaufen die Naturschützer mit Hilfe von Spendern verwilderte Grundstücke – wenn sich welche finden.

Auf den ersten Blick wirkt das kleine Waldstück unspektakulär. Vielleicht etwas wilder als andere Wälder. Und in bewirtschafteten Forsten ist die Birke nicht die Hauptbaumart, so wie hier. Den größten Unterschied macht jedoch der Waldboden. Er gibt nach, als träte man auf eine weiche Ma­tratze. Hier wächst Torfmoos, die Bäume spielen ökologisch nur die zweite Geige.

Das kleine Moorstück unweit des Naturschutzgebiets Frankenmoor südlich von Stade ist die neueste Anschaffung der Loki-Schmidt-Stiftung. Mit Ankäufen sichert sie wertvolle Lebensräume. „Schon unserer Gründerin und Namensgeberin Loki Schmidt war der Flächenkauf wichtig“, sagt Stiftungsgeschäftsführer Axel Jahn beim Rundgang über das Gelände. „Mit dem Kauf kann man unmittelbar etwas für den Naturschutz tun.“ Der Moorschutz sei ein Schwerpunkt der Stiftung, denn dieser spezielle Lebensraum für Pflanzen und Tiere sei im Raum Hamburg und auch im ganzen Land sehr selten geworden.

Torfmoos in Niedersachsen

Jahn bückt sich und hält Torfmoos in der Hand: „Diese Pflanze ist faszinierend. Torfmoos besteht zu 98 Prozent aus Wasser. Es kann Säure abgeben, um aus seiner nährstoffarmen Umgebung die lebenswichtigen Nährstoffe Stickstoff und Phosphat herauszulösen. Und es ist potenziell unsterblich. Denn das Torfmoos stirbt unten ab und wächst nach oben weiter. Dadurch bilden sich mehrere Meter starke Torfschichten.“

In intakten Mooren werden das abgestorbene Moos und andere Biomasse im Boden nicht vollständig zersetzt. Dadurch bleibt der Kohlenstoff, den die Pflanzen einst aufgenommen hatten, zu einem Großteil im Boden und belastet nicht das Klima.

Beitrag von Mooren zum Klimaschutz

„Moore leisten als Kohlenstoffspeicher einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz“, sagt Jahn. „Wenn sie trockengelegt werden, entweicht der Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid und Methan. Das trägt mit rund zehn Prozent zum deutschen Treibhausgasausstoß bei.“

Die Moorfläche bei Bargstedt ist deutlich höher als das daneben liegende Grünland. Dennoch hat auch sie einen Teil der Torfdecke eingebüßt. Früher wurde den Familien in den umliegenden Dörfern ein Stück Moor zugeteilt, in denen Torf als Brennstoff für den Winter gewonnen werden durfte. Die Verkäuferin der Fläche, Ursula Lindner, war als Kind vor rund 70 Jahren mit im Moor, wenn Torf gestochen wurde. „Das Gelände war viel freier“, erinnert sie sich.

Moorrest wurde Loki-Schmidt-Stiftung angeboten

Als sie die 5000 Quadratmeter große Fläche von ihrer Mutter geerbt hatte, war bereits junger Wald gewachsen. Später wollte sie mit ihrem Sohn das Moor besuchen, doch die beiden konnten den genauen Standort nicht lokalisieren. Schließlich bot die Erbin den bewaldeten Moorrest der Loki-Schmidt-Stiftung zum Kauf an.

„Wenn wir Grundstücksangebote bekommen, entscheiden wir nach drei Kriterien“, sagt Jahn: „Nach dem ökologischen Wert der Fläche, der Pflegebedürftigkeit und dem Preis für den Ankauf.“ Um die Wertigkeit der Fläche besser beurteilen zu können, nahm Jahn Kontakt zur Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises Stade auf. Sie hatte Unterlagen zum exakten Standort und riet zum Kauf. Zumal der Preis im „oberen vierstelligen Bereich“ ein Vorzugspreis war und die Pflegebedürftigkeit der kleinen Waldwildnis gegen null tendiert.

Hinweise auf einstigen Torfabbau

„Hier hat sich Wald natürlich angesiedelt; wir können das alles so lassen“, freut sich Jahn. „Vielleicht holen wir mal die eine oder andere Fichte heraus. Und irgendwann kommt vielleicht der Tag, an dem das Moor wieder vernässt wird.“ Solche Renaturierungen von abgetorften oder nur entwässerten Moorflächen machen nur großflächig Sinn. Oftmals scheiterten solche Maßnahmen am Widerstand einzelner Grundstücksbesitzer, so Jahn. Das Grundstück, auf dem er steht, stünde bereit.

Birken haben sich auf dem Moorboden angesiedelt.
Birken haben sich auf dem Moorboden angesiedelt. © FUNKE Foto Services | Andreas Laible

Die Gruppe stapft über den nachgiebigen Boden und steht am Rand eines rechteckigen Tümpels. Überall zeugen solche rechteckigen, zwei bis drei Spaten tiefen Gruben vom einstigen privaten Torfabbau. Diese ist knietief mit Wasser gefüllt. Mücken freuen sich über die warmblütigen Besucher. Unter ihnen ist die Hamburger Unternehmerin Susanna Fiebig.

Hamburger Unternehmerin spendete Kaufpreis

Sie spendete den Kaufpreis der Fläche und ermöglichte es der Stiftung, dieses Stück Natur unter ihre Fittiche zu nehmen und als Eigentümerin langfristig zu sichern. Als Gesellschafterin des Familienunternehmens Dockweiler Edelstahl GmbH beschloss Fiebig zusammen mit ihren Schwestern, jedes Jahr einen Teil der Überschüsse an gemeinnützige Unternehmen zu spenden. „Meine Schwestern fördern eher soziale Projekte, ich den Naturschutz“, sagt sie.

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Seit fünf Jahren arbeite sie mit der Loki-Schmidt-Stiftung zusammen, im Projekt Kooperation Natur, sagt Fiebig: „Wir unterstützen Firmen, die ihr Betriebsgelände nachhaltig – also langfristig – strukturell umgestalten, um die Artenvielfalt zu fördern.“ Sie habe für den Kauf dieser Fläche gespendet, weil auch ihr der Moorschutz besonders am Herzen liege. „Ich habe einige Flächen privat gekauft. Vielleicht werden auch sie irgendwann Stiftungsflächen.“

Loki-Schmidt-Stiftung besitzt mehrere Flächen

Jetzt kann Axel Jahn erst einmal die Moorfläche im Landkreis Stade seiner Grundstückssammlung hinzufügen. Zu ihr gehören auch Flächen im Wittmoor, den Volksdorfer Teichwiesen sowie Feuchtwiesen in Neuland und Neugraben. Rund 40 Projektflächen, verstreut über zehn Bundesländer, stehen unter der Regie der Stiftung. Viele sind ihr Eigentum, andere langfristig gepachtet, wieder andere werden von ihr betreut. 220 bis 230 Hektar seien eigenes Land, so Jahn.

Im Vorjahr waren zwölf Hektar hinzugekommen; in diesem Jahr seien es bereits sechs. „Oft werden uns die Grundstücke geschenkt“, erzählt der Stiftungschef. Und nennt das Beispiel einer Bio-Gärtnerei in Mecklenburg-Vorpommern. Als die Betreiber in den Ruhestand gingen, wollten sie auf keinen Fall, dass die nun stillgelegten Betriebsflächen irgendwann intensiv bewirtschaftet werden – die Stiftung garantiert nun eine naturnahe Entwicklung. Auch Ursula Lindner ist „richtig froh“, ihr Stück Wald in gute Hände gegeben zu haben.