Kiel. Brandbrief an Merkel: Sechs Länderchefs von CDU, CSU und SPD fordern “umgehend“ die Einstufung des ihrer Einschätzung nach gefährdeten Marine-Überwasserschiffbaus in Deutschland als Schlüsseltechnologie, den Verzicht auf europäische Ausschreibungen und einen Krisengipfel.

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther hat einen Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) zur Zukunftssicherung des Marine-Überwasserschiffsbaus in Deutschland geschickt. "Auch im Namen der Regierungschefin und Regierungschefs der Länder Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern wende ich mich mit dem dringenden Appell an die Bundesregierung, den Marinen Überwasserschiffbau wie im Koalitionsvertrag vereinbart nunmehr umgehend als Schlüsseltechnologie zu definieren", heißt es in dem mit 4. Februar datierten Schreiben, das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Diese Einstufung sei für künftige Projekte der Marine "von höchster Bedeutung für den Marineschiffbau in Deutschland".

Die Ministerpräsidenten der sechs Länder gehören der CDU, CSU oder SPD an. Die Küstenländer sind Werften-Standorte, in den Binnenländern gibt es Zulieferfirmen für den Schiffbau.

Günther schlug auch einen Krisengipfel vor. Die Bundesregierung solle zu einem Treffen über "die Herausforderungen und Perspektiven des deutschen Marineschiffbaus für die kommenden 15 bis 20 Jahre" Vertreter der Länder, Wirtschaftsverbände, Gewerkschaften und Unternehmen einladen. Ziel der deutschen Rüstungspolitik müsse sein, "das Know-how des deutschen Marineschiffbaus, die Technologieführerschaft und damit die nationale Souveränität zu erhalten". Es gehe auch um die Sicherung der 10 000 Arbeitsplätze - davon 6000 in Norddeutschland - im Marineschiffbau in Deutschland.

Hintergrund ist die Vergabe des 5,3-Milliarden-Euro-Auftrags für das deutsche Mehrzweckkampfschiff MKS 180 an ein niederländisch geführtes Konsortium. Die Kieler Werft German Naval Yards mit der ebenfalls in Kiel ansässigen Werft ThyssenKrupp Marine Systems als Subunternehmen scheiterte mit ihrem Angebot. German Naval Yards ist gegen die Vergabe juristisch vorgegangen.

In dem Schreiben wird auch ein Verzicht auf europäische Ausschreibungen von wichtigen deutschen Marineprojekten gefordert wie dies auch andere EU-Länder praktizierten. Hier bestehe "dringender Handlungsbedarf". Günther erinnerte an Beschlüsse der norddeutschen Regierungschefs von 2018/2019, den Marine-Überwasserschiffbau "in die Liste der nationalen verteidigungsindustriellen Schlüsseltechnologien" des Verteidigungsministeriums aufzunehmen - wodurch europäische Ausschreibungen von zentralen Marineprojekten nicht mehr zwingend notwendig wären.

"Sollte hingegen unsere Schiffbauindustrie im militärischen Schiffbau weiterhin dem verzerrten europäischen Wettbewerb unterliegen und die Deutsche Marine als "parent navy" ihre Aufträge nicht an unsere heimischen Werften vergeben, steht der deutsche Marineschiffschau vor einer düsteren Zukunft", warnten die sechs Länderchefs. Dies treffe nicht allein die Küstenländer, "sondern in erheblichem Maß auch die in der Wertschöpfungskette maßgeblich beteiligte Zulieferindustrie im Westen und im Süden der Bundesrepublik".

Die IG Metall Küste begrüßte die Initiative der Länderchefs, den Marine-Überwasserschiffbau als Schlüsseltechnologie einzustufen. "Unternehmen und Beschäftigte warten lange genug darauf", sagte Daniel Friedrich, Bezirksleiter der IG Metall Küste. "Die Bundesregierung muss endlich handeln und darf den immer wieder angekündigten Kabinettsbeschluss nicht weiter verzögern. Auf dieser Grundlage müssen Bundesregierung, Länder, Unternehmen, Verbände und IG Metall Küste dann bei dem von uns geforderten Marine-Gipfel über die Zukunft der Branche sprechen."