Marschacht/Geesthacht. Durch Sicherungsmaßnahmen am Wehr Geesthacht ist eine Fischtreppe zugeschüttet, die andere nicht voll funktionsfähig.

Am Wehr zwischen Rönne und Geesthacht spielen sich derzeit kleine Dramen ab: Wanderfische, die flussaufwärts schwimmen wollen, können die Staustufe nur noch schwer überwinden. Die am niedersächsischen Ufer gelegene Fischtreppe ist komplett zugeschüttet worden. Und Europas größter Fischtreppe auf der Nordseite fehlt seit Monaten die sogenannte Lockströmung, die den Fischen anzeigt, wo sie den Weg nach oben finden. Hier wurden Rinnen zugeschüttet, die diese Strömung erzeugen. Beide Baumaßnahmen geschahen, um das in die Jahre gekommene Wehr zu sichern.

Wissenschaftler und Naturschützer warnen, dass der aktuelle Zustand großen Schaden in der Fischwelt anrichten könne, wenn die Aufstiegshilfen nicht bald instand gesetzt werden.

Deckwerk unterspült und zum Teil bereits eingebrochen

Der erste große Schaden an Deutschlands einzigem Elbe-Stauwehr, das je zur Hälfte zu Schleswig-Holstein und Niedersachsen gehört, wurde Anfang August bei Niedrigwasser entdeckt: Am Fuße des Damms zwischen den Wehrfeldern und der nördlichen Fischtreppe von Vattenfall war unterhalb der Staustufe das Deckwerk unterspült worden und zum Teil bereits eingebrochen.

Um den Damm zu stabilisieren, wurde der Wasserstand so weit abgesenkt, dass die Geesthachter Schleuse und das Schiffshebewerk in Scharnebeck ihren Betrieb einstellen mussten. Als Folge lagen damals allein am Schiffshebewerk um die 80 Schiffe fest.

Bagger rückten an und verstärkten den Damm, um einen Kollaps zu verhindern. Dabei schütteten sie die vier Rinnen zu, die die Leitströmung für die wanderwilligen Fische erzeugt. „Der Eingang der Aufstiegshilfe ist im Vergleich zum Flussquerschnitt sehr klein und deshalb für die Fische nur schwer zu finden. Damit dies geschieht, ist die Lockströmung extrem wichtig“, sagt Prof. Ralf Thiel, Fischwissenschaftler an der Universität Hamburg. Für Störe, Lachse, Schnäpel, Fluss- und Meeresneunaugen sei es nun erheblich schwieriger, die Staustufe zu überwinden.

Alle genannten Arten seien in der Hamburger Roten Liste

Alle genannten Arten seien in der Hamburger Roten Liste als gefährdet eingestuft. Auch die weltweit vom Aussterben bedrohten Aale seien betroffen, so Thiel. Der Fischexperte fürchtet, dass auch die Wiederansiedlungsprogramme für den Europäischen Stör, für Lachs, Schnäpel und Meerforelle Schaden nehmen könnten.

Und das umso mehr, als auch die ältere, kleinere Fischtreppe am Südufer des Wehres nicht funktionsfähig ist. Sie musste im September zugeschüttet werden, weil sich im Oberwasser des Wehrs eine Spundwand an der Fischtreppe um 40 Zentimeter geneigt hatte. Auch hier zeigte sich, dass die 1959 gebaute Staustufe sanierungsbedürftig ist. Und auch hier war Gefahr im Verzug. Deshalb wurde tonnenweise Sand aufgefahren, um die Spundwand abzustützen bis sie durch eine neue ersetzt werden wird.

„Die Dauer der Außerbetriebnahme der Fischaufstiegsanlage Süd steht momentan noch nicht fest“, meldete das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt (WSA) Lauenburg am 17. September 2019. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Baukosten werden auf 167 Millionen Euro geschätzt

„Die Erneuerung der Spundwand ist Teil einer sehr großen Baumaßnahme zur Grundinstandsetzung des Wehrs“, sagt Martin Gellner, stellvertretender Leiter des WSA Lauenburg. Dazu sollen alle vier Wehrtore durch neue ersetzt und der „Fangdamm“ durch neue Spundwände verstärkt werden. Er grenzt nördlich an das erste Wehrfeld und südlich an die Fischtreppe. Die Baukosten werden auf 167 Millionen Euro geschätzt. Gellner: „Die Grundinstandsetzung ist so umfangreich, dass sie vom Neubauamt in Hannover geplant wird.

Die Bauzeit wird mindestens zwölf, vielleicht auch 15 Jahre betragen. Die Erneuerung der beiden Spundwände vom Fangdamm werden wir vorziehen.“ Doch zunächst müssen die Arbeiten im Detail geplant, dann ausgeschrieben und zudem der Baugrund auf Kampfmittel untersucht werden, bevor die erste Baumaschine anrücken kann.

Das alles kann Jahre dauern – Zeit, die die Fischwelt nicht hat. „Die Elbe muss passierbar sein“, forderten die Umweltverbände Nabu, BUND, WWF, Grüne Liga und DNR bereits im Dezember. Spätestens im Herbst 2020 sollten die Fischtreppen wieder hergestellt sein, so die Naturschützer. Thiel sieht ebenfalls die Gefahr, dass die Bestände aller fernwandernden Fischarten, deren Lebensräume und Laichplätze durch das Stauwehr getrennt werden, ohne verbesserte Aufstiegshilfe stark leiden oder sogar zusammenbrechen können.

Wiederansiedlung des Störs vergebens

„Wenn der Zustand zwei, drei Jahre anhalten würde, könnten die Millionen teuren Besatzmaßnahmen etwa zur Stützung der Aalpopulation und zur Wiederansiedlung des Störs vergebens gewesen sein“, sagt Thiel. Besonders pikant: Im November 2018 bewilligte der Bundestag 6,9 Millionen Euro zum Bau eines Forschungs-, Zucht- und Informationszentrums zur Wiederansiedlung des Europäischen Störs auf der Elbinsel zwischen dem Wehr und der Schleuse Geesthacht.

Möglicherweise wird sich auf der Nordseite, an der von Vattenfall betriebenen großen Fischtreppe, zuerst etwas tun. Gellner: „Wir sind mit Vattenfall im Gespräch. Mit dem Ziel, die Leitstromrinnen schnellstmöglich wieder herzustellen.“ Damit die herumirrenden Flossentiere wieder sicher zur gut 20 Millionen teuren Aufstiegshilfe finden.