Buxtehude. Der Prototyp der EVB verkehrt zwischen Bremerhaven und Buxtehude. Von allen Kontinenten wollen sich Delegationen den Zug ansehen.

Wenn der markante, blaue Zug am Bahnhof in Buxtehude am südlichen Bahnsteig einfährt, fällt zunächst nur ein leises Surren auf, das eher an eine Straßenbahn erinnert als an die Diesel-Lokomotiven, die dort sonst halten. Oben auf dem Dach quellen aber keine dunklen Abgaswolken, sondern schlicht weiße Wölkchen mit Wasserdampf aus der Antriebsanlage: Seit September verkehren dort auf dem Streckennetz der Eisenbahnen und Verkehrsbetriebe Elbe-Weser GmbH (EVB) zwei so genannte Vorserien-Fahrzeuge des Herstellers Alstom, die mit der umweltfreundlichen Wasserstofftechnik angetrieben werden. Die „weltweit ersten Wasserstoffzüge“ überhaupt, wie es bei Hersteller und Betreiber heißt.

Die ersten Monate brachten nun keine unangenehmen Überraschungen mit der neuen Technik, die Bilanz der ist offensichtlich durchweg positiv: „Wir haben festgestellt, dass die beiden Züge genauso einsatzfähig sind, wie unsere herkömmlichen Fahrzeuge“, sagt EVB-Sprecherin Andrea Stein.

Internationales Interesse am Wasserstoffzug

Überrascht war man bei dem in Bremervörde ansässigen Unternehmen aber über das große Interesse an diesen modernen Zügen, die durch die Weiten der alten norddeutschen Landschaft pendeln. Die EVB registrierte etliche Passagiere aus der Region, die nur deshalb zustiegen, weil sie diesen Zug einmal erleben wollten, wie EVB-Sprecherin Stein sagt. Auch weltweit stieß die neue, umweltfreundliche Eisenbahn-Technik auf viel Interesse. Journalisten und Delegationen von Verkehrsunternehmen aus etlichen Ländern sind schon ins Elbe-Weser-Dreieck gereist. Aktuell haben sich Gruppen aus Tirol, Israel, Kanada und Norwegen angemeldet. Und einer der beiden Wasserstoffzüge geht jetzt sogar auf Tournee. Vom 26. Januar bis 13. Februar schickt ihn Alstom auf eine „Roadshow“ durch mehrere Bundesländer.

„Unsere Technologie ist einsatzbereit“, sagt dazu Jörg Nikutta, Geschäftsführer für Alstom in Deutschland und Österreich. Die Wasserstoffzüge seien gerade für lange Strecken ohne Oberleitung eine Alternative. Zudem seien sie leiser als ein konventioneller Dieselzug und böten einen „exzellenten Fahrkomfort.“ Entwickelt wurde der „Coradia iLint“ von dem Alstom-Team in Salzgitter und einem weiteren des Konzerns im französischen Tarbes. Salzgitter gilt als Kompetenzzentrum für Regionalzüge, Tarbes für Antriebssysteme.

Wasserstoffantrieb für den Regionalverkehr

Der Konzern könnte mit dieser Entwicklung tatsächlich – wie erhofft – einen großen Markt für sich erschließen: Gerade im Regionalverkehr wie zwischen Bremerhaven, Cuxhaven und Buxtehude werden eben vielerorts noch Diesellokomotiven eingesetzt – was mit Blick auf die Klimaziele des Landes kaum zukunftsfähig sein dürfte: Deutschlandweit gibt es noch viele solcher Strecken, erst 40 Prozent der Schienenwege sind hier elektrifiziert. In anderen Ländern dürfte es nicht viel anders aussehen.

Bei den beiden Zügen vom Typ „Coradia iLint 54“ wird jeweils in zwei Brennstoffzellen Wasserstoff und Sauerstoff aus der Umgebungsluft zu Strom umgewandelt, der für den Antrieb des Fahrzeuges sorgt. Zusätzlich verfügen beide Wasserstoffzüge über zwei große Batterien, die die beim Bremsen entstehende Energie speichern und den Zug beim Beschleunigen zuerst mit Strom versorgen, bevor auf die Brennstoffzelle umgeschaltet wird. Der Vorteil gegenüber einem reinen Batteriezug: Die Reichweite ist deutlich größer. In Bremervörde werden die beiden Wasserstoffzüge jeweils innerhalb von 15 Minuten betankt, wobei eine Füllung für gute 1000 Kilometer reicht; beides entspricht der EVB zufolge auch den Zeiten und Reichweiten von den bisher eingesetzten Diesellokomotiven.

Noch wird der Wasserstoff per Lkw angeliefert

Wobei die Wasserstoff-Fahrzeuge ebenfalls eine Höchstgeschwindigkeit von 140 Kilometern pro Stunde erreichen können. Noch allerdings basiert der vom Land Niedersachsen mit 81 Millionen Euro unterstütze Probebetrieb nicht nur auf umweltfreundlicher Energieerzeugung. Noch wird der Wasserstoff, der als Nebenprodukt in der chemischen Industrie anfällt, per Lkw nach Bremervörde transportiert – als eine Art mobile Tankstelle. Geplant ist laut EVB-Sprecherin aber eine feste Tankstelle. Bis etwa zum Jahr 2020 soll der Wasserstoff dann per Elektrolyse und mit Hilfe einer benachbarten, umweltfreundlichen Windkraftanlage erzeugt werden. Spätestens dann wäre das Fahren mit den EVB-Zügen wirklich völlig abgasfrei.

Geplant ist zudem, dass der Verkehrsbetrieb seine komplette Flotte bis 2022 auf diese neue Antriebstechnik umstellt. Gut möglich, dass dann weltweit weit mehr solcher Wasserstoffzüge unterwegs sind. Ihre Alltagstauglichkeit dürften sie jetzt bereits schon bewiesen haben. Und leiser und damit komfortabler sind sie sowieso, wie man eben jetzt schon am Bahnhof in Buxtehude jeden Tag erfahren kann.