Osnabrück/Bremen. Nach der Hitze kommt der Regen. Oft fallen dabei Unmengen von Wasser auf die Städte, die darauf nicht vorbereitet sind – bis auf eine.

Die Münchener Straße im Bremer Stadtteil Findorff ist so etwas wie die Straße der Zukunft, wenn es um die Anpassung an den Klimawandel geht. Vor wenigen Jahren wurde die Straße „klimasensibel“ umgebaut. „Der gesamte Straßenraum wurde umgestaltet“, sagt Michael Koch aus dem Bremer Umweltsenat. Die Parkbuchten wurden mit durchlässigem Pflaster versehen, damit Regenwasser direkt an der Straße versickert. Gleichzeitig sind die Buchten mit einem Gefälle zu den Baumscheiben versehen. Es wurden „Klimastabile“ Bäume angepflanzt. Und das Straßenprofil wurde so geändert, dass extreme Wassermengen erst mit Verzögerung in die Kanalisation fließen.

In den vergangenen Wochen herrschte in weiten Teilen Deutschlands mediterranes Wetter. Eine Folge sind oft extreme Regenfälle. „Nach der Hitze ist vor dem Starkregen - das sind Dinge, die sich bedingen“, sagt Felix Gruber von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück.

Städte müssen Konzept für Hochwasserschutz entwickeln

Auch Städte, die nicht an der Küste oder an Flüssen liegen, müssen nun Konzepte für den Hochwasserschutz entwickeln, betont Gruber. „Es kann prinzipiell jede Kommune treffen.“ Bremen machte diese Erfahrung im Jahr 2011. „Da ist uns die ganze Stadt abgesoffen“, sagt Referatsleiter Koch. Auch andere Städte in Europa waren betroffen.

Der klassische Weg, Regenwasser von den Straßen und Plätzen zu bekommen, führt über die Kanalisation. Die ist aber für solche Extremregenfälle, die Fachleute „urbane Sturzfluten“ getauft haben, nicht gebaut. „Da kommen Wassermengen in einer Stunde runter, die sonst in einem Monat fallen - dafür kann ich weder Straßeneinläufe noch Kanäle auslegen“, sagt Koch. Also mussten neue Ideen her.

Straßen werden vorübergehend zum Kanal

In Bremen sei damals begonnen worden, die Stadt „wassersensibler“ zu gestalten. Dabei spielt das Konzept der „multifunktionalen Flächen“ eine große Rolle. Eine Straße ist dabei nicht nur eine Straße, sondern kann bei starkem Regen vorübergehend zu einem Kanal werden, der das Wasser speichert und verzögert in die Kanalisation abgibt. Ein Kinderspielplatz ist nicht nur ein Kinderspielplatz, sondern auch ein Platz, auf dem Regenwasser versickern kann. Ein tiefergelegter Parkplatz kann auch vorübergehend zum Wasserspeicher werden.

Für die Verwaltungen bringt dieses Umdenken viele Herausforderungen mit: Einmal müssen Baunormen und -regeln daraufhin abgeklopft werden, ob sie mit Blick auf Starkregenfälle geeignet sind. Denn wenn eine Straße zeitweise zum Kanal werden soll, müssen Bordsteinkanten erhöht werden, oder das bislang vorgeschriebene Straßenprofil muss geändert werden. Und: Bauamt, Umweltamt, Grünflächenamt, Straßenbau und Stadtentwässerung - sie alle sollten schon bei der Planung gemeinsam an einem Tisch sitzen, sagt DBU-Experte Franz-Peter Heidenreich.

Städte identifizieren starkregengefährdete Gebiete

In den meisten Städten und Gemeinden seien sich die Verantwortlichen dieser Herausforderungen noch nicht bewusst, sagt Luise Willen vom Deutschen Institut für Urbanistik, das zusammen mit der DBU eine Art Trainingsprogramm für Kommunen aufgelegt hat. Städte, die schon einmal bei Starkregen überflutet wurden, seien aufgeschlossener für solche Fragestellungen. Aber nicht zuletzt angesichts knapper Kassen würden Kommunen neue Aufgaben scheuen, wenn es nicht um Dinge ginge, von denen sie unmittelbar betroffen seien. „Wir versuchen, sie von einem Präventionshandeln zu überzeugen und das notwendige Wissen zum Handeln zu vermitteln. Aber das gelingt erst sehr langsam“, hat Willen festgestellt.

In Bremen, aber auch in Köln, Hamburg und einigen anderen Städten ist man schon sehr weit. So haben die Bremer mittels Modellberechnungen eine Karte entwickelt, mit der sich besonders starkregengefährdete Bereiche und Viertel identifizieren lassen. Bei Bauvorhaben werden diese Erkenntnisse schon berücksichtigt. Aber auch private Bauherren und Grundstückseigentümer sollen Informationen bekommen, ob sie sich in einem gefährdeten Bereich befinden und Ratschläge, wie sie sich gut gegen Überflutungen schützen können.

Absoluten Schutz gibt es nicht

Eigentlich müsste jede Stadt und jede Gemeinde in Deutschland so etwas machen, sagt Willen. Und die Verwaltungen müssten auch die Einwohner über diese Themen informieren, denn einen absoluten Schutz vor solchem Extremwetter könne es nicht geben. Es gehe nur darum, möglichen Schaden zu minimieren. Aber all das kostet Geld. Inzwischen seien alle Bundesländer „weitgehend einsichtig“, dass die Kommunen Unterstützung brauchen, um sich auf diese Klimafolgen einstellen zu können. „Doch das Wissen braucht seine Zeit, bis es auch in allen Bundesländern in die Umsetzung kommt“, sagt Willen.