Rotenburg. ... und verteidigt in Rotenburg/Wümme sein Engagement beim russischen Ölkonzern Rosneft: „Ich habe kein Problem damit.“

Chuzpe hat er, der Gerhard Schröder. „Das ist ein so teurer Stift, kann ich den behalten?“, fragte der Altkanzler, der gegenwärtig wegen seines lukrativen Engagements bei einem russischen Ölkonzern in den Schlagzeilen steht, Mittwochabend im niedersächsischen Rotenburg/Wümme, als er sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug. Der Bundestagsabgeordnete Lars Klingbeil hatte den 73 Jahre alten früheren SPD-Spitzenpolitiker zu einem Wahlkampfgespräch eingeladen. Klingbeil eröffnete die gut 90-minütige Runde dann auch mit dem Thema, das derzeit viele bewegt: das Angebot an Schröder, Aufsichtsrat oder sogar Aufsichtsratschef des russischen Ölkonzerns Rosneft zu werden.

Gelegentlich müsse man Dinge tun, die nicht gleich alle verstünden, sagte Schröder und fügte hinzu: „Der Mainstream war noch nie ein Gewässer, das mich besonders interessiert hat.“ Dann verteidigte der Altkanzler unter Beifall des Publikums sein Engagement bei Rosneft. „Ich habe kein Problem damit.“ Es sei vernünftig, in einem internationalen Konzern mitzuarbeiten, der für eine sichere Ölversorgung stehe. Schröder wies zudem die Sorge zurück, Russlands Präsident Wladimir Putin könnte ihn für politischen Ziele einspannen, wenn er Aufsichtsratschef von Rosneft sei. „Ich bin schwer zu benutzen und habe nicht den Eindruck, dass man mich benutzen will“, sagte Schröder. Im Übrigen sei Rosneft „keineswegs der verlängerte Arm der russischen Regierung“.

Schröder warnte Deutschland davor, sich von Russland abzuwenden

Der Altkanzler warnte Deutschland davor, sich zu sehr von Russland abzuwenden. „Mir gefällt nicht alles in Russland, aber eine Dämonisierung Russlands hilft keinem.“ Viel wichtiger sei die Einbindung des Landes in die internationalen Beziehungen. Eine Versorgung Deutschlands mit Öl und Erdgas werde eher durch Russland als durch den Nahen Osten oder Nordafrika gesichert werden können.

Schröder ließ am Mittwoch keinen Zweifel daran aufkommen, dass er sich bei Rosneft engagieren werde. „Es geht um mein Leben. Darüber bestimme ich und nicht die deutsche Presse.“ Zudem glaube er, sein Engagement diene den Interessen Deutschlands. Die USA mögen ein Interesse an einem instabilen Russland haben. Für die Europäer, besonders die Deutschen, seien gute Beziehungen zu einem stabilen Russland unverzichtbar. Zu dem gegenwärtigen US-Präsidenten Donald Trump äußerte Schröder sich kritisch, aber weit weniger verletzend als andere Sozialdemokraten. „Verglichen mit Herrn Trump ist Herr Putin ein hochrationaler Mann.“ Zugleich erinnerte der Altkanzler an den früheren US-Präsidenten Ronald Reagan. Es gebe zwei Unterschiede zwischen ihm und Trump: „Reagan hatte kein Twitter und hörte auf seine Berater.“ Zudem hatte Reagan mit Nancy „eine kluge Ehefrau, die ihn auf dem Boden gehalten hat“. Beides scheine beim gegenwärtigen US-Präsidenten nicht der Fall zu sein.

Sein Engagement bei Rosneft hält Schröder für unproblematisch

Schröder ist für die SPD ein schwieriger Politiker. Einerseits ist er der letzte Sozialdemokrat, der es ins Kanzleramt geschafft hat. Andererseits ist der Macher der Agenda 2010 für den linken Flügel nach wie vor ein rotes Tuch. Und ausgerechnet kurz vor der Bundestagswahl am 24. September ist Schröder in die Kritik geraten, weil er bei Rosneft als Chef des Aufsichtsrats im Gespräch ist. Der Nachrichtenagentur Interfax zufolge soll der neue Rosneft-Verwaltungsrat am 29. September gewählt werden.

Wieso ist das ein Pro­blem? Der Konzern unterhält enge Beziehungen zur russischen Regierung unter Präsident Wladimir Putin. Der russische Staat hält mehr als 50 Prozent der Aktien. Somit ist Rosneft auch von den EU-Sanktionen gegen Russland wegen der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim betroffen. Schröder und der russische Präsident Wladimir Putin sind seit vielen Jahren freundschaftlich verbunden, sie duzen sich.

Martin Schulz hatte sich von Schröders privatem Russlandkurs distanziert

Für die in den Umfragen schlecht dastehende SPD kommt die Debatte über das Engagement von Schröder zur Unzeit. Linke und Grüne schlachten das Thema genüsslich aus. Der Chef der Linken-Bundestagsfraktion, Dietmar Bartsch, forderte Schröder auf, auf seine Altkanzler-Privilegien – Dienstwagen, Sekretärin, Sicherheitspersonal – zu verzichten. „Entweder Altkanzler oder Ölbaron!“ Der Grünen-Politiker Cem Özdemir meinte: „Die SPD muss sich entscheiden: Steht sie für verantwortungsvolle Außenpolitik in Europa oder für Putin-Lobbyismus?“

SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz fährt einen Zickzackkurs. Anfangs sprach er von einer Privatsache Schröders. Als die Kritik nicht abriss, distanzierte er sich deutlicher und sagte: „Ich würde das nicht tun.“ Außenminister Sigmar Gabriel und die Wirtschaft verteidigten hingegen Schröder. Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Axel Schäfer, sagte: „Die Maßlosigkeit mancher Kritik von heute zeigt nur die Niveaulosigkeit dieser Kritiker.“

Wolfgang Büchele, der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, erklärte: „Wir können die heftige, teils auf fehlerhaften Darstellungen beruhende Kritik an der möglichen Übernahme eines Aufsichtsratsmandats von Altkanzler Gerhard Schröder beim russischen Ölkonzern Rosneft nicht wirklich nachvollziehen.“

Ein Ratschlag an Martin Schulz: „Rampensau sein“

Die Besucher der Veranstaltung Mittwochabend in Rotenburg schienen jedenfalls kein Problem mit Schröders Russland-Engagement zu haben. Immer wenn der Altkanzler sich positiv zu Russland äußerte, bekam er Applaus. Und auch zum eigentlich Thema des Abends, dem Bundestagswahlkampf, hatte der Altkanzler etwas zu sagen. Martin Schulz riet er: „Man muss Rampensau sein.“ Und ergänzte markig: „Mit dem Rücken zur Wand kämpft man eigentlich am besten.“